Die Rebellion
einfach. Ich habe ihn so oft im Stich gelassen, als er noch lebte;
und jetzt, wo er tot ist, darf ich ihn nicht noch einmal enttäuschen. Du brauchst mich doch gar nicht hier. Die Sabotage ist
dein Plan. Kassar wird sich für dich um das Rebellenproblem
kümmern. Er hat Erfahrung in derartigen Dingen. Ich will nicht
länger über so etwas nachdenken. Die Rebellen sind mir egal.
Die Fabrik ist mir egal. Zuerst kommen die Wolfs. Immer.«
Stephanie erhob sich aus ihrem Sessel und trat rasch zum
Fenster neben ihren jüngeren Bruder. »Ich brauche dich hier,
Daniel. Du gibst mir Kraft. Bleib bei mir. Wenigstens bis nach
den Feierlichkeiten. Wir können Agenten ausschicken, die unseren Vater suchen und herausfinden, wie es um ihn steht. Leute, die in solchen Dingen Erfahrung besitzen. Auf diese Weise
bleibt es wenigstens geheim. Schließlich gibt es eine Menge
Leute mit starkem Interesse daran, daß unser Vater da bleibt,
wo er ist, und nicht wieder Oberhaupt der Familie wird.«
Stephanie sah bereits die Entscheidung in Daniels Augen,
bevor er zögernd nickte. Sie seufzte innerlich vor Erleichterung. Daniel war viel zu wild und unbeherrscht, um alleine
loszuziehen. Stephanie brauchte ihn an ihrer Seite, wo sie ihn
kontrollieren konnte. Daniel meinte es gut, aber ihm fehlte Stephanies Phantasie und Scharfsinnigkeit. Sie wußte, was für die
Familie am besten war, und dazu gehörte nicht, blindlings
durch das gesamte Imperium hinter einem Hirngespinst herzujagen. Der liebe Vater war tot, und das war für alle besser so.
Wahrscheinlich hätte sie ihn eines Tages selbst umgebracht. Er
hatte ihr im Weg gestanden.
»Wenn ich hierbleiben soll, dann gib mir wenigstens etwas
zu tun«, sagte Daniel. »Ich fühle mich sonst überflüssig.«
»Vielleicht habt Ihr Lust, mit meinen Truppen zu arbeiten?«
fragte Kardinal Kassar. »Die Kirche hat immer Platz für einen
zusätzlichen mutigen Kämpfer.«
Die beiden Geschwister fuhren herum. Daniels Hände verkrampften sich zu Fäusten, weil er und seine Schwester sich
hatten überraschen lassen. Stephanie begrüßte den Kardinal mit
einem kühlen, gelassenen Nicken. Sie würde ihm auf gar keinen Fall die Befriedigung gönnen, sie zum Erröten zu bringen.
Auch wenn sie nicht sicher war, wieviel er von ihrem Gespräch
mitbekommen hatte.
Der Kardinal stand hoch aufgerichtet und mit vorgestrecktem
Kinn in der offenen Tür. Er steckte in voller Kampfmontur,
selbst hier, in den als sicher geltenden Privatunterkünften der
Fabrik. Vielleicht lag es an der allgemeinen Paranoia der Kirche, vielleicht bedeutete es aber auch eine verschleierte Beleidigung der Wolfs, daß er ihnen nicht zutraute, seine Sicherheit
zu garantieren. Oder vielleicht, dachte Stephanie, trug er den
Kampfanzug auch nur deswegen, weil er darin so stark und
soldatisch aussah.
In diesem Fall hatte Kassar zumindest teilweise Erfolg. Das
große Kreuzrelief auf der Brust gab sich alle Mühe, die Aufmerksamkeit des Betrachters auf sich zu ziehen – doch das
schwer gezeichnete Gesicht des Trägers konnte man einfach
nicht ignorieren. Halb zerfressen von Säure, sah die vernarbte
Hälfte von Kassars Gesichts mehr nach einem Totenschädel als
irgend etwas anderem aus; Risse in seinen Wangen gaben sogar den Blick auf die weißen Zähne frei. Mühevoll setzte Stephanie ein höfliches Lächeln auf, aber sie kam ihm keinen
Schritt entgegen. Auch Daniel machte keine Anstalten, auf den
Besucher zuzugehen. Sollte Kassar doch zu ihnen kommen.
Der Kardinal hatte sich verspätet, aber das hatte Stephanie
erwartet. Kassar gehörte zu der Sorte Mensch, die andere
grundsätzlich warten ließ, schon allein um zu zeigen, wie bedeutend er war. Er brauchte diese kleinen Siege. Sie hielten ihn
aufrecht, erst recht, seit er nach Technos III befohlen worden
war. Offiziell war es eine Chance zum Aufstieg. Die Kirche
hatte ihn zusammen mit einer kleinen Armee von Gläubigen
und einem halben Dutzend Elitekommandos der Jesuiten hierher gesandt, um den Wolfs bei der Vernichtung und Zerschlagung der rebellischen Terroristen zu helfen. Die Kirche von
Christus dem Krieger biederte sich normalerweise nicht bei der
Aristokratie an, und ganz sicher nicht ausgerechnet bei den
Wolfs, aber die Zukunft der Kirche hing wie die eines jeden
anderen auch davon ab, ob man Zugang zu den neuen Hyperraumantrieben erhielt. Und wer zuerst da war, der würde einen
zwar vorübergehenden, aber nichtsdestotrotz sehr realen Vorteil über
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