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Die rebellische Republik / Warum wir uns nicht für dumm verkaufen lassen

Die rebellische Republik / Warum wir uns nicht für dumm verkaufen lassen

Titel: Die rebellische Republik / Warum wir uns nicht für dumm verkaufen lassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Wieczorek
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hier wohl noch nie 1 : 1 umgesetzt. Denn auch wenn es für den einzelnen Betrieb oder einzelne Regierungen und Verwaltungen »alternativlose Sachzwänge« geben mag, so sind die nicht vom Himmel gefallen, sondern wurden von Menschen durch Drehen an wichtigen Stellschrauben der Gesellschaft geschaffen.
    Deshalb gibt es auch innerhalb eines Systems, auch innerhalb des unseren, gewisse Spielräume, sogar erstaunlich große. So zauberte Reichskanzler Otto von Bismarck in den 1880 er Jahren eine noch heute wegweisende Sozialgesetzgebung mit Kranken-, Unfall- und Rentenversicherung aus dem Hut; und dies nicht aus Mildtätigkeit, sondern aus Angst, die Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands ( SAD ), wie die SPD bis 1890 hieß, könne eine Revolution anzetteln. Und insofern ist für das Volk die Frage, ob sie einen begrenzten Kampf wie in Stuttgart gewinnt oder verliert, langfristig gar nicht einmal so wichtig. Was zählt, ist das immer bessere gegenseitige Verständnis der einzelnen Schichten untereinander und füreinander, damit aus den oft unterschiedlichen und einander widersprechenden Interessen und Forderungen der einzelnen Bevölkerungsteile ein möglichst einheitliches »Widerstandspaket« geschnürt werden kann.
    Ein wenn auch kleines Beispiel dafür, dass der Kampf der Untertanen gegen die Herrschenden durchaus erfolgreich sein kann, bietet etwa der Fall des tiefen Falls Ihrer Durchlaucht Dr. ade zu Guttenberg. Die dummfreche »Verteidigung« seines Summa-cum-lauda-Plagiats à la »aus Versehen paar Fußnoten vergessen«, »an paar Stellen schlampig gearbeitet« oder »ein Doktor-Betrüger kann ein guter Minister sein« machte die klar denkenden Menschen zornig und fassungslos.
    »Die Fassungslosen, das waren die Wissenschaft, Teile der Medien und viele Bürger aus allen Schichten, Berufen, Altersgruppen … blieben nicht sprachlos, zogen sich nicht angewidert zurück«, resümierte Barbara John im
Tagesspiegel,
»verfielen nicht in Zynismus und Gleichgültigkeit. Sie hielten das Thema am Kochen, redeten sich die Köpfe heiß und wichen mit ihrer fordernden Präsenz nicht von der Stelle, bis die Politik den Rückzug antrat, nicht aus Einsicht, mehr aus Ausweglosigkeit.« [664] Eine wichtige Rolle spielte auch hier der Humor. So begann der
Freitag
-Verleger Jakob Augstein seinen Guttenberg-Verriss mit einem Witz, der inzwischen Kultstatus besitzt: »Fragt der Praktikant im Verteidigungsministerium: Wo ist denn der Kopierer? Antwort: Auf Truppenbesuch in Afghanistan.« Diese Häme, so schlussfolgert er, werde zu Guttenberg »nie mehr los. Der Mann, der eine Zeitlang Hoffnungsträger der Politik war, hat sich als Hochstapler entpuppt und als Witzfigur. Ein Felix Krull des Kabinetts. Oder, vielleicht passender, ein Dieter Bohlen der Politik.« [665]
    Lächerlich machte sich auch die anonyme Horde derer, die »Sehnsucht nach dem Gesalbten« [666] äußerten. 500000 Gutti-Groupies in der Internetgemeinde
Facebook,
aber zu den »machtvollen Demonstrationen« kamen nur in Guttenberg 1500 , in Hamburg 300 , in den anderen Großstädten weniger als 100 . Und die erlebten Ähnliches wie ihre Leidensgenossen in Berlin: »Rund 80 junge Menschen feierten zu Techno-Musik und machten sich über die Guttenberg-Getreuen mit Transparenten wie ›Guttenberg muss Kaiser werden‹ lustig«, berichtete
Spiegel Online.
»In Sprechchören forderten sie ›Jetzt oder nie: Monarchie‹ und versicherten dem CSU -Mann: ›Wir sind Dein Volk.‹ Kamerateams und Fotografen drängten sich um die Ironie-Protestler, während die rund 50 meist älteren Guttenberg-Anhänger am Rand des Geschehens zurückblieben.« [667]
    Das bedeutet
nicht,
wie Neoliberale gern behaupten, eine »Querulantenrepublik«, deren Bürger schon aus Prinzip gegen alles Mögliche prozessieren, demonstrieren, sitzblockieren und Bürgerinitiativen à la »Nieder mit dem Packeis – Freiheit für Grönland« gründen. Vielmehr geht es um die ständige Einmischung der Bürger in ihre eigenen lebenswichtigen Interessen, das im Grundgesetz garantierte »Streben nach Glück« inklusive. Dies aber ist das direkte Gegenteil des neoliberalen Credos: »Liberalismus ist unvereinbar mit unbeschränkter Demokratie«, wie der Neoliberalismus-Miterfinder Friedrich August von Hayek stets betonte. [668] Dieses Verständnis von Freiheit hat natürlich mit dem eines geistig gesunden Normalbürgers nicht das mindeste zu tun, wie Hayeks Spießgeselle Milton Friedman auch dem naivsten

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