Die Rebenprinzessin
Boten schob sich das besorgte Gesicht Katrinas in ihr Blickfeld. »Das Fräulein ist erwacht«, wisperte sie, und damit war klar, dass sich noch weitere Personen in ihrer Nähe aufhielten.
Bella fragte sich nicht, wer diese Menschen sein könnten. Als Erstes durchzuckte sie der Gedanke, dass ihre Flucht misslungen war, und daraus resultierte der zweite, den sie nun laut aussprach. »Martin? Was ist mit Martin?«
Sie wollte sich aufrichten, da drückten zwei sanfte, aber kraftvolle Hände sie wieder zurück. »Bleib liegen, Bella. Du darfst noch nicht aufstehen.«
Die Hand der Grafentochter schloss sich fest um den Arm ihrer ehemaligen Kinderfrau. »Was ist mit ihm?«, fragte sie erneut.
Nun konnte Katrina ihr die Antwort nicht länger schuldig bleiben. »Die Männer deines Vaters haben ihn verhaftet. Wahrscheinlich verhören sie ihn gerade.«
»Ich muss zu ihm«, sagte Bella daraufhin panisch. »Ihn trifft keine Schuld, er wollte doch nur …«
»Sch«, machte die Kinderfrau und strich ihr sanft übers Haar. Dann blickte sie zu den anderen Anwesenden und bedeutete ihnen mit einer Kopfbewegung, dass sie gehen konnten. Kurz darauf ertönten leise Schritte, und eine Tür fiel ins Schloss.
»Kind, was sollte das nur?«, fragte Katrina nun, während sie ihre kühlen Fingerspitzen über die Stirn ihres Schützlings gleiten ließ.
Erst jetzt spürte Bella selbst, dass sie glühte. Fieber, schoss es durch ihre Gedanken. Jetzt kann ich ihnen nicht mehr entkommen.
»Warum bist du davongelaufen?«
»Das weißt du doch«, entgegnete Bella, während sich nach und nach das Schmerzempfinden ihres Körpers wieder einstellte. Ihre Knochen fühlten sich an, als würden sie brennen, und das dumpfe Pochen in ihrer Schläfe entwickelte sich zu einem fiebrigen Stechen. »Du kannst meinem Vater ausrichten, sollte er noch immer vorhaben, mich vor die Wahl zu stellen, werde ich lieber zurück ins Kloster gehen, anstatt diesen Wüstling zu heiraten.«
Darauf konnte die Kinderfrau nichts erwidern. All die Worte, mit denen sie dem Mädchen erklären wollte, dass sein Vater es doch nur gut gemeint hatte, blieben ihr im Hals stecken.
Bella ließ sich wieder mit ihrem ganzen Gewicht in die Kissen sinken und blickte zur Seite. Der Abend zog über der Katzenburg herauf, und bald schon kam die Nacht. Eine Nacht, die Schmerzen und vielleicht auch Fieber für sie bereithielt. Am meisten fürchtete sich die Grafentochter allerdings vor den Träumen. »Katrina«, begann sie schließlich leise, ohne sich nach der Kinderfrau umzusehen.
»Ja, Bella?«
Die junge Frau lächelte, denn diese beiden Worte hatte Katrina früher immer gesagt, wenn sie nicht einschlafen konnte und ihr aus heiterem Himmel irgendetwas eingefallen war, was sie sofort loswerden musste.
»Warst du in deinem Leben schon einmal verliebt? Ich meine so richtig, so sehr, dass du bereit warst, alles dafür aufzugeben?«
Die Kinderfrau überlegte eine Weile. »Ja, ich glaube schon«, antwortete sie dann. »Es ist schon viele Jahre her, noch bevor ich in den Dienst deines Vaters getreten bin.«
»Wie war er?«, fragte Bella.
»Wie gesagt, ich war damals noch ein junges Mädchen und leicht von einem schönen Gesicht und glutvollen Augen zu beeindrucken«, antwortete Katrina, während sie ihr sanft über die Schultern strich. »Er war der Sohn eines Kaufmanns in Koblenz, ich die Tochter eines Küfers. Jenes Küfers, der die Fässer für deinen Vater hergestellt hat. Wir waren sehr ineinander verliebt. Im Sommer brachte er mir heimlich Blumen und legte sie auf das Fensterbrett meiner Kammer. Ich erinnere mich noch gut, wie ich den ganzen Tag mit glühenden Wangen herumgelaufen bin und versucht habe, die Blüten zu verbergen. Um sie wegzuwerfen, waren sie mir zu teuer, aber mein Vater sollte sie auch nicht zu sehen bekommen, denn sonst hätte er Verdacht geschöpft.«
Ein Leuchten, wie Bella es noch nie an ihrer Kinderfrau gesehen hatte, funkelte in Katrinas Augen.
»Doch wie das Leben nun mal so spielt, hielten ihn seine Eltern an, eine andere zu heiraten. Eine Kaufmannstochter, deren Mitgift ihren Reichtum erhöhen und ihnen mehr Handelsmacht bringen sollte.«
Genauso wie bei mir, dachte Bella und fragte dann: »Hat er sich denn nicht dagegen aufgelehnt?«
Das Leuchten in Katrinas Augen verschwand schlagartig und wich einem bitteren Lächeln.
»Er hatte nicht den Mut dazu. Seinen Eltern zuliebe hat er sich gefügt und mich aufgegeben. Der Tag, an dem die Hochzeitsglocken
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