Die Rebenprinzessin
durchnässten Kleider waren nur halb getrocknet. Einen Schuh hatte sie verloren, und der nackte Fuß war, abgesehen von ein paar Schmutzkrusten, so bleich wie ihr Gesicht.
»Sie ist am Leben«, sagte Heinrich Oldenlohe, als hätte er die Gedanken des Grafen lesen können. »Ich habe sie aus dem Fluss gefischt. Man sollte sie so schnell wie möglich von den klammen Kleidern befreien.«
Der Graf überlegte nicht lange. »Holt Katrina her, sie soll sich um meine Tochter kümmern«, rief er den Männern zu, die dem Waffenmeister gefolgt waren.
»Komm mit«, sagte er dann und schritt voran zu Bellas Gemächern. Unter seine anfängliche Erleichterung mischte sich allmählich Zorn. Wie hatte sie nur von hier weglaufen können?
In der Kemenate angekommen, schlug der Graf die Vorhänge des Bettes beiseite, und Heinrich Oldenlohe legte die junge Frau auf den Laken ab.
»Was ist mit dem Burschen, der bei ihr war?«, fragte Rudolph von Katzenburg, nachdem er Bella kurz betrachtet hatte.
»Den habe ich am Leben gelassen«, entgegnete Heinrich Oldenlohe, und bevor sein Herr zu toben beginnen konnte, fügte er rasch hinzu: »Ihr werdet es nicht glauben, wer dieser kleine Schelm ist.«
»Schelm?«, brauste der Graf auf. »Er ist ein Taugenichts, Abschaum! Er hat meine Tochter zu dieser Dummheit verleitet. Ich hatte dir ausdrücklich befohlen, ihn zu töten.«
»Bei Gott, das hätte ich auch getan«, hielt Heinrich Oldenlohe furchtlos dagegen. »Wenn er nicht der Sohn des Grafen von Bärenwinkel wäre.«
Rudolph von Katzenburgs Schimpf versiegte augenblicklich in seiner Kehle. »Gernot von Bärenwinkels Sohn?«, fragte er, doch bevor der Waffenmeister darauf antworten konnte, wurde bereits die Tür aufgerissen.
Katrina humpelte herein, und als sie Bella sah, schnappte sie erschrocken nach Luft. »Was ist mit ihr geschehen?«
»Sie ist in den Fluss gesprungen und von der Flut weggerissen worden«, antwortete Heinrich Oldenlohe. »Ich konnte sie gerade noch aus dem Wasser ziehen.«
»Habt Ihr dafür gesorgt, dass das Wasser aus ihrem Körper kommt?« Die Kinderfrau stellte den Stock beiseite und beugte sich über Bella.
»Ja, sie hat eine ganze Menge davon ausgehustet.«
»Gut, dann möchte ich Euch nun bitten, uns allein zu lassen. Auch Euch, Euer Gnaden.« Sie wandte sich dem Grafen zu und entdeckte in seinem Blick etwas, das ihr nicht gefiel. War es Rachsucht? Oder Hass? All diese Gefühle konnte er doch unmöglich seiner Tochter entgegenbringen!
Im nächsten Augenblick verließen Rudolph von Katzenburg und Heinrich Oldenlohe die Kemenate.
Katrina rief die Mädchen herbei, die erschrocken an der Tür stehen geblieben waren. »Nun kommt schon herbei und ziert euch nicht wie die Jungfern! Ich kann jede Hand gebrauchen.«
Die Mägde kamen zu ihr gelaufen, und mit ihrer Hilfe entkleidete die Kinderfrau ihren Schützling.
»Ach, mein Kind, was hast du nur im Sinn gehabt?«, murmelte sie, während sie Bella zwischendurch immer wieder über die Wangen strich. Eine Antwort bekam sie zwar nicht, aber Katrina hoffte, dass Bella sie ihr geben würde, wenn sie wieder genesen war.
20. K APITEL
Gernot von Bärenwinkel hatte sich nichts weiter dabei gedacht, als Giacomo wie jeden Sonnabendmorgen zurückkehrte, nachdem er auf Martin gewartet hatte. Doch diesmal war alles anders.
Der Italiener stürmte schnaufend und mit hochrotem Gesicht ins Speisezimmer. »Euer Gnaden! Ich fürchte, es gibt Schwierigkeiten.«
»Welcher Art?«, wollte Graf von Bärenwinkel wissen, während er weiter seine mit Honig gesüßte Grütze aß.
»Graf von Katzenburgs Leute haben Euren Sohn gefangen genommen.«
Der Graf verschluckte sich. Hustend und mit hochrotem Kopf mühte er sich, den in die falsche Kehle geratenen Brei loszuwerden, und schließlich wurde es so schlimm, dass Giacomo ihm beispringen und auf den Rücken klopfen musste.
Glücklicherweise konnte der Graf sogleich wieder durchatmen. »Du willst mich wohl umbringen!«, fuhr er seinen Spion an und schlug dessen Hand weg. »Was sind das denn für Nachrichten, die du da bringst?«
»Nachrichten, für die ich nichts kann, Herr«, entgegnete Giacomo und hob beschwichtigend die Hände. »Allerdings ist es wahr, Euer Sohn ist gefangen genommen worden.«
Graf von Bärenwinkel schnaufte. Ob aus Zorn oder weil er sich von seinem Hustenanfall noch immer nicht erholt hatte, war für den Spion nicht eindeutig ersichtlich.
»Dieser Dummkopf! Vielleicht hätte ich doch lieber dich schicken
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