Die Rebenprinzessin
merkte er, dass sich hinter ihm eine Mauer befand, an die er sich anlehnen konnte. Als die Hände ihn losließen, sank er in sich zusammen.
»Du hattest wirklich großes Glück«, fuhr die Stimme fort, die Martin nun als jene wiedererkannte, die ihn am Fluss gefragt hatte, ob er beweisen könne, der Sohn des Grafen von Bärenwinkel zu sein.
Ehe er antworten konnte, fuhr ihm etwas Nasses durchs Gesicht. Offenbar ein Lappen, mit dem Heinrich Oldenlohe ihm das Blut von den Wangen wusch.
»Was soll das?«, fragte Martin, während er verzweifelt versuchte, in der Schwärze etwas zu erkennen.
Der Waffenmeister schien jedenfalls keine Schwierigkeiten damit zu haben. Haben die Männer des Grafen mich etwa so hart geschlagen, dass ich erblindet bin?, fragte der Junge sich.
Nach einer Weile flammte neben ihm ein neuerlicher Lichtschein auf. Diesmal kam er aber nicht von der Tür, sondern von einer Laterne, die ganz in der Nähe auf einem Tisch stand. Heinrich Oldenlohe hatte sich offenbar kurz erhoben und sie entzündet.
Immerhin bin ich nicht blind, schoss es Martin durch den Kopf, und im selben Augenblick fügte er mit Galgenhumor hinzu: Dann sehe ich wenigstens meinen Henker.
»Du willst doch sicher einen guten Eindruck machen, wenn ich dich zum Grafen bringe, oder?«, fragte Heinrich Oldenlohe, während er erneut mit dem Lappen an dem Jungen herumrieb.
»Zum Teufel mit dem Grafen!«, murmelte Martin. Allmählich konnte er verstehen, warum sein Vater den Mann so sehr hasste.
»Nun mal nicht so aufsässig, mein Lieber. Du hast großes Glück, dass mir Seine Gnaden nicht ein zweites Mal den Befehl gegeben hat, dich zu töten. Beim ersten Mal habe ich dich verschont, weil ich dachte, es könnte Folgen für den Frieden in dieser Gegend haben. Doch wenn er es ein zweites Mal gefordert hätte, hätte ich dir ein Messer ins Herz gestoßen, statt dir einen Lappen ins Gesicht zu reiben wie einem Kleinkind.«
Martin gab darauf nur ein Brummen von sich. Die einzigen Worte, die er hätte von sich geben wollen, wären ohnehin nur Flüche gewesen.
»Eines interessiert mich allerdings, und ich bin sicher, dass es auch der Graf wissen will«, fuhr Heinrich Oldenlohe fort, während er Martin notdürftig die Kleidung richtete. »Was hattest du die ganze Zeit über auf der Burg zu suchen? Warum hast du dich hier unter falschem Namen eingeschlichen?«
»Vielleicht, weil ich zur Abwechslung mal arbeiten wollte?«, gab Martin zurück.
Der Bote stieß daraufhin ein raues Lachen aus. »Deinen Humor haben wir wohl nicht aus dir herausgeprügelt, was?«
Martin drehte den Kopf zur Seite. Das kalte Wasser gab ihm immerhin das Gefühl, dass seine Augen zumindest ein wenig abschwollen. Sein Blick wurde klarer, so dass er erkennen konnte, dass er sich keineswegs im Kerker befand, sondern in einem gewöhnlichen Kellerraum.
»Also, warum warst du hier? Hat dir dein Vater den Auftrag gegeben, das gnädige Fräulein zu entführen?«
Obwohl solch ein Vorschlag durchaus von seinem Vater stammen konnte, musste Martin lachen. »Wenn es den Grafen interessiert, warum ich hier war, warum fragt er mich dann nicht selbst?«, erwiderte er schließlich. »Glaubt Ihr, ich habe in meinem jetzigen Zustand Lust, alles zweimal zu sagen?«
Heinrich Oldenlohe schnaufte, und Martin schloss vorsorglich die Augen, denn er rechnete damit, dass der Bote gleich auf ihn einschlagen würde.
Doch aus diesem Grund war der Waffenmeister nicht da. Er packte Martin erneut am Kragen und zerrte ihn auf die Füße. »Kannst du stehen?«, fragte er
Martin nickte, obwohl er stark schwankte.
»Gut, dann komm mit. Und verlier unterwegs dein großes Mundwerk nicht. Wäre doch schade, wenn der Graf gleich nichts zu lachen hätte.« Damit fasste Heinrich Oldenlohe den Burschen unter und führte ihn zur Treppe.
Bella erwachte, als sie spürte, wie jemand an ihr zerrte. Die Bilder der Erinnerungen kehrten bruchstückhaft und wie von zuckenden Blitzen beleuchtet zu ihr zurück. Sie sah sich mit Martin durch den Wald in Richtung Ufer rennen. Sie vernahm das wütende Bellen der Hunde. Hier und da tauchte eine Gestalt vor ihr auf. Hände packten sie und entrissen sie dem Wasser. Das Gesicht Heinrich Oldenlohes schob sich in ihr Blickfeld. Dann war wieder alles dunkel.
Ein Lidschlag verscheuchte die Finsternis wieder. Kurz noch wähnte sich Bella im Wasser, dann spürte sie etwas Warmes an ihren Wangen. Eine trockene Wärme, die das Zittern ihrer Glieder milderte.
Anstelle des
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