Die Rebenprinzessin
alte Katrina, die sich auf ihren Stock stützte. Als das Gespann mit lautem Getöse vom Hof rumpelte, spielte um ihre Mundwinkel ein Lächeln.
Martin beobachtete wie betäubt, dass sich das Floß seines Vaters dem gegenüberliegenden Ufer näherte. Seinem Heimatufer, das ihm dennoch fremd erschien.
Die ganze Zeit über hatte der Graf geschwiegen, obwohl ihm anzumerken war, dass er seinen Zorn nur schwerlich zügeln konnte. Doch die Blöße, seinen Sprössling vor den Soldaten zu züchtigen, würde er sich nicht geben, das wusste Martin. Ein Vorteil war das für ihn allerdings nicht. Sein Vater würde die Ruhe auf dem Floß nutzen, um sich eine Strafe auszudenken, bei der er sich gewiss wünschte, die väterliche Burg nie wieder betreten zu haben.
Doch noch waren sie nicht da, daher verdrängte Martin sein bevorstehendes Schicksal und lenkte seine Gedanken auf das von Bella. Was stellte ihr Vater wohl jetzt mit ihr an? Sie war zwar seine einzige Tochter, aber nur eine Frau. Martin wusste zu gut, dass ungehorsamen Töchtern schlimmere Strafen drohten als Söhnen, deren Ungehorsam zur Not noch als Mut und Tatendrang angesehen werden konnte.
Würde Rudolph von Katzenburg Bella für immer zurück ins Kloster schicken? Würde er sie verstoßen? Oder, noch schlimmer, würde er sie mit irgendeinem Adligen verheiraten und weit von hier fortschicken?
Martin wusste nicht, bei welcher Möglichkeit sich ihm das Herz mehr zusammenkrampfte. Er unterdrückte ein Seufzen und warf einen Blick zur Seite, in der Hoffnung, Adam Höllerich flößen zu sehen. Er wusste nicht, warum, aber irgendwie hatte er das Gefühl, dass er den Fährmann stumm hätte bitten können, einen Gedanken zum anderen Ufer mitzunehmen. Einen Gedanken für Bella, der ihr sagen sollte, dass sie nicht verzagen möge, egal was auf sie zukam. Aber der Fährmann war nicht zu sehen. Außer dem mächtigen Floß des Grafen war nur eine Entenfamilie auf dem Wasser.
Werde ich eines Tages auch so sein wie mein Vater?, schlich es durch Martins Verstand. Werde ich auch so verbittert sein, weil ich die Frau meines Herzens nicht bekommen habe? Bis aufs Mark voller Hass auf den Grafen von Katzenburg, weil er mein Glück vereitelt hat?
Nein, so weit durfte es nicht kommen!
Er hatte keine Ahnung, wie er es anstellen sollte, aber er würde nicht einfach kampflos aufgeben. Er würde Bella auch nicht einfach dem Schicksal überlassen, das andere für sie schmiedeten.
Bevor er sich jedoch einen Plan zurechtlegen konnte, stand ihm die Auseinandersetzung mit seinem Vater bevor. Als das Floß anlandete, zog sich sein Magen schmerzhaft zusammen. Während die Männer samt ihren Pferden das Gefährt verließen und Anstalten machten, es an Land zu ziehen, packte Gernot von Bärenwinkel seinen Sohn am Kragen und zerrte ihn hoch.
Sämtliche Blessuren schmerzten Martin, doch er versagte sich irgendwelche Regungen.
»Du hast Glück, dass ich dich den Weg hinauf nicht laufen lasse«, fuhr der Vater ihn an, während er ein paar Männer anwies, Martin auf ein Pferd zu helfen. Anschließend nahm der Graf die Zügel des Reittiers in die Hand, als wäre Martin ein kleiner Junge, der sich nicht allein im Sattel halten konnte.
Martin sagte zu all dem nichts. Er blickte stumm auf die Mähne des Tiers, deren Farbe ihn an die Haarfarbe Bellas erinnerte, und wappnete sich gegen das, was ihn erwartete.
21. K APITEL
Das Rumpeln der Kutsche war bei der Geschwindigkeit kaum zu ertragen. Der Kutscher peitschte die Tiere, als wäre der Leibhaftige hinter ihnen her, die Räder ächzten, und einige von den Hufen aufspritzende Steine trafen die Tür und landeten sogar im Wageninneren. Eine dichte Staubwolke drang in die Lungen der Passagiere.
Hans von Uhlenfels begann zu husten und hatte dabei Mühe, sich auf seinem Platz zu halten. Todesangst überkam ihn. Seinen Herrn musste der Teufel geritten haben, den Kutscher anzuweisen, so zu fahren.
Roland von Hohenstein schien nichts dabei zu finden, dass ihnen alle Knochen im Leib durcheinandergeschüttelt wurden. Vielmehr schien das Rasen der Kutsche nur ein Abbild dessen zu sein, was in seinem Inneren vor sich ging. Der Fürst kochte vor Wut. Nervös nestelte er am Ärmel seines Wamses und wirkte, als wollte er die aufgenähte Borte abreißen.
»Das muss sich ein von Hohenstein nicht bieten lassen«, murmelte er vor sich hin, den Blick starr aus dem Fenster gerichtet. »Dieser Graf von Katzenburg hätte froh sein sollen, dass ich seine Tochter
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