Die Rebenprinzessin
Martin herumwirbeln.
Wenig später blickte er in das Antlitz der Frau, die vorhin die Burg verlassen hatte. Sie trug einen Leinenbeutel um die Schultern, stützte sich auf einen Stock und betrachtete ihn wachsam.
Alles in ihm schrie danach, er solle verschwinden, doch als ginge ein unsichtbarer Bann von ihr aus, war er nicht in der Lage, die Flucht zu ergreifen. Die Art, wie die Frau ihn musterte, gab ihm das Gefühl, dass sie ihn kannte. Und sich fragte, was er hier zu suchen hatte.
»Du bist der junge Graf von Bärenwinkel, nicht wahr? Und du kommst, um es erneut zu versuchen.«
»Ich weiß nicht, was Ihr meint.«
»O doch, mein Junge, das weißt du. Du liebst Bella. Du liebst sie so sehr, dass du bereit bist, noch einmal dein Leben für sie aufs Spiel zu setzen.«
»Und wenn es so ist?«, entgegnete Martin trotzig.
»Dann ist es lobenswert. Du magst mich vielleicht nicht kennen, aber ich war dabei, als sie dich und Bella zurückgebracht haben. Und ich habe an ihrem Krankenlager gestanden.«
Diese Worte beunruhigten Martin.
»Keine Sorge, es geht ihr gut«, sagte die Frau. »Sie ist wieder in dem Kloster, aus dem sie gekommen ist.«
»Im Kloster«, wiederholte Martin. »Dann hat der Graf den Heiratsplänen also entsagt?«
Die Frau blickte ihn vielsagend an. »Ja, das hat er. Immerhin. Auch wenn Roland von Hohenstein geschworen hat, ihn dafür zu ruinieren.«
Martin konnte darauf erst einmal nichts erwidern. Eine Vielzahl von Möglichkeiten tat sich vor ihm auf. Fernab von der Katzenburg konnte er Bella vielleicht befreien. Natürlich musste er sich darauf einstellen, dass der Graf einen Bewacher bei ihr gelassen hatte, doch es war immerhin ein kleiner Hoffnungsschimmer.
»Allerdings solltest du dich nicht zu früh freuen, junger Graf«, fügte die Frau hinzu, als hätte sie seinen Gedanken hinter seiner Stirn ausmachen können. »Ihr Vater wird zweifelsohne versuchen, einen neuen Mann für sie zu finden. Ich weiß, wer du bist, und ich weiß auch, wie Bella zu dir steht. Aus diesem Grund rate ich dir, sei vorsichtig und zerstöre nicht ihr Leben. Am besten wäre es, wenn du dich ganz von ihr fernhältst.«
»Das kann ich nicht«, entgegnete Martin unverwandt. »Ich liebe sie und werde nicht zulassen, dass sie einen anderen heiratet als mich.«
Die Frau betrachtete ihn wiederum prüfend. »Kommen diese Worte aus der Tiefe deines Herzens oder dem Ansinnen, dem Grafen in irgendeiner Weise zu schaden?«
»Sie kommen aus meinem Herzen«, entgegnete Martin sanft. »Ich will nur, dass Bella glücklich wird.«
»Glücklich mit dir?«
»Glücklich mit wem auch immer sie es sich wünscht.«
Die Frau neigte den Kopf, und zum ersten Mal sah er sie nun lächeln. »Gut, dann geh zu den Klarissen im Kloster Bärbach. Aber nimm dich in Acht. Die Äbtissin wacht streng über ihre Schützlinge. Du musst es schon geschickt anstellen, um an sie heranzukommen.«
»Keine Sorge, ich bin nicht auf den Kopf gefallen.«
Martin wollte schon der kleinen Pforte zustreben, als die Frau ihren Stock hob und ihn ihrem Gegenüber wie ein Schwert an die Brust setzte. »Du wirst sie vor jeder Gefahr beschützen, hast du verstanden?«
Martin nickte. »Das werde ich.«
»Und nicht zulassen, dass sie wieder ins Wasser springt.«
»Wir werden diesmal einen anderen Weg nehmen.«
Martin fragte sich, ob die Frau wohl zum Grafen laufen und ihm ihr Vorhaben mitteilen würde. Doch wenn sie das vorgehabt hätte, dann hätte sie auch gleich um Hilfe schreien können.
»Bella ist das Kostbarste, was der Graf und ich haben. Sie ist die Zukunft dieses Ortes, der Menschen und des Weinbergs. Wenn du sie verlierst, machst du dich in furchtbarer Weise schuldig, und ich weiß nicht, ob selbst Gott dir vergeben würde.«
»Seid unbesorgt, ich würde für sie mein Leben geben«, entgegnete Martin.
»Dann lasse ich dich jetzt durch die Pforte.«
Martin nickte dankend, musste aber noch fragen: »Warum helft Ihr mir?«
Die Frau warf ihm einen vielsagenden Blick zu. »Es ist wegen eines Menschen, den ich einst kannte und den ich aufgegeben habe, obwohl ich vielleicht hätte kämpfen sollen. Das Schicksal hat mir die Möglichkeit genommen, es mir anders zu überlegen, aber ihr sollt sie haben. Liebe ist kostbar in diesen Zeiten, und wer sie findet, sollte alles dafür tun, um sie zu erhalten.«
Damit wandte sie sich um und ließ Martin stehen. Sie wusste, dass er den Weg kannte.
24. K APITEL
Bella arrangierte sich mit ihrem Leben in
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