Die Rebenprinzessin
hatte.
Fast schon bedrohlich ragte die Katzenburg im Mondschein vor Martin auf. Der Bergfried wirkte wie ein aufmerksamer Wächter, die Mauern waren schützende Arme, die nichts und niemanden durchzulassen gewillt waren.
Gewiss ahnte der Graf nichts von der Bedrohung, die auf ihn zukam, dennoch rechnete Martin damit, dass er die Wachposten ein wenig aufgestockt hatte. Immerhin war es möglich, dass seine Tochter erneut zu entfliehen versuchte.
Wie es ihr wohl gehen mag?, fragte er sich. Sorge ließ sein Herz zusammenkrampfen, denn in der vergangenen Nacht hatte er einen beunruhigenden Traum gehabt. Er hatte Bella am Flussufer liegen sehen, bleich und reglos. Das Kleid, das sie trug, wirkte auf den ersten Blick wie ein Hochzeitsgewand, doch dann hatte er feststellen müssen, dass es sich um ein Leichenhemd handelte. Erschrocken war er hochgefahren und hatte die ganze Nacht über kein Auge mehr zugetan, aus Angst, dass die Bilder wiederkehren könnten.
Den ganzen Tag über hatte er sich dann im Wald um die Katzenburg herumgetrieben, immer auf der Hut vor dem Wildhüter des Grafen. In einer der Fallen hatte Martin einen Hasen gefunden, den er am Flussufer gebraten hatte. Hätte ihn der Wildhüter dabei erwischt, hätte er ihn sicher als Wilderer zur Burg geschleift.
Nun sah er sich der Herausforderung gegenüber, in die Burg und vor allem zu Bella zu kommen, ohne dass ihn jemand bemerkte. Er umrundete die Mauer, bis er an die kleine Pforte zum Weinberg kam. Der Geruch von faulen Trauben und vermoderndem Laub stieg ihm in die Nase, während er sich an dem Zugang zu schaffen machte. Sein Dolch erwies sich als wenig hilfreich, denn der Erbauer dieser Festung hatte sich ebenso viel bei der Absicherung der Tür gedacht wie sein Urgroßvater beim Anlegen des Fluchtweges.
Ein Fluchtweg!, schoss es Martin jäh durch den Kopf. Konnte es sein, dass der Urvater der Familie Katzenburg ebenfalls einen Weg nach draußen angelegt hatte?
Für einen kurzen Moment wallte Freude in ihm auf, doch diese wurde getrübt, als ihm in den Sinn kam, dass der Ausgang überall und nirgends sein konnte.
Da ertönten Schritte. Martins Überlegungen stockten augenblicklich, und er flüchtete sich hinter einen Busch ganz in der Nähe. Mit angehaltenem Atem beobachtete er, wie sich die kleine Pforte öffnete.
Er rechnete damit, dass jeden Augenblick ein Wächter erschien, der ihn vom Bergfried aus beobachtet hatte und nun stellen wollte. Fest schloss er die Hand um den Griff seiner Waffe. Doch im nächsten Augenblick sah er eine Frau. Ihr Haar war unter einem dunklen Tuch verborgen, ihr Gesicht wirkte allerdings noch nicht so alt, wie es ihre Gestalt vermuten ließ. Sie ging ein wenig krumm und humpelte.
Nachdem er sicher war, dass von dieser Frau keine Gefahr für ihn ausging, richtete Martin das Augenmerk auf die Tür. Die Frau hatte einen Stein vor die Schwelle geschoben, denn der Türflügel stoppte eine Handbreit vor dem Türrahmen.
Das war seine Chance.
Während sein Herz freudig schneller schlug, blickte er sich nach der Frau um. Offenbar hatte sie vor, Kräuter oder Weinblätter zu sammeln, jedenfalls ging sie immer tiefer in den Weinberg hinein.
Als er glaubte, dass sie ihn nicht mehr hören konnte, tauchte er hinter dem Busch auf und lief zu der Pforte. Kurz verschluckte ihn die Dunkelheit, da der Teil der Mauer im Schlagschatten der Burg lag. Vom Tor her vernahm er Stimmen. Die Wachposten hatten sich also noch nicht zur Ruhe begeben.
Während sich Martin hinter dem kleinen Schuppen verbarg, bei dem er sich mit Thomas und seinen Spießgesellen geprügelt hatte, richtete er den Blick auf das Schloss in der Mitte. Die Fenster waren allesamt dunkel. Jene, die nicht mit zusätzlichen Läden verschlossen waren, reflektierten das Mondlicht.
Martin wusste nicht genau, hinter welchem er Bella finden konnte. Bei ihren Treffen hatte er sie nie zurück zur Burg begleitet, sondern war stets im Weinberg geblieben. Jetzt wünschte er sich, es wäre anders gewesen. Doch wahrscheinlich hätte er dann damit rechnen müssen, dass die Wachen den Befehl ihres Vaters ausführten.
Wie komme ich nun zu ihr?, überlegte Martin, während er zwischen den Hütten hindurchschlich. Gab es eine Möglichkeit, durch das Schlosstor hineinzukommen?
Gerade als er den schützenden Schatten verlassen wollte, ertönte hinter ihm eine Stimme.
»Das würde ich an deiner Stelle nicht tun.«
Der sanfte Klang, der nicht recht zu der Warnung passen wollte, ließ
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