Die Rebenprinzessin
aus Stube und Küche. In der steinernen Esse flackerte ein munteres Feuer, auf dem Tisch stand eine Schüssel. Offenbar war sie im Begriff gewesen, selbst zu essen, als sie ihn vor ihrem Zaun bemerkt hatte.
»Setz dich ruhig, ich tu dir auf!«
Martin, der sein Glück trotz des seltsamen Gefühls nicht fassen konnte, ließ sich auf dem Stuhl nieder. Er sah zu, wie die Frau vor ein hölzernes Regal trat und eine weitere Holzschüssel holte. Die stand wenig später mit Grütze und Fleisch gefüllt vor seiner Nase.
»Greif zu, Junge, kannst es brauchen«, sagte Anna und trat mit ihrer Schüssel erneut ans Feuer.
Was mag wohl der Preis dafür sein?, fragte sich Martin, während er sich den ersten Löffel in den Mund schob. Doch die Frage trat angesichts des köstlichen Mahls in den Hintergrund. Sein Magen nahm das Essen mit einem wohligen Grunzen auf, und wenig später zog ihm die Wärme des Breis durch sämtliche Glieder. Müdigkeit übermannte ihn und das Verlangen, sich nach dem Mahl einfach auf einem Fell langzumachen und all den fehlenden Schlaf der vergangenen Tage nachzuholen.
Doch dann fiel ihm wieder ein, was der eigentliche Grund für seine Anwesenheit hier war. »Wie weit ist es bis zum Kloster?«, fragte er und legte den Löffel ab.
Anna, die den Brei ebenfalls mit Appetit verspeist hatte, blickte ihn erstaunt an.
»Was will denn so ein kräftiger Bursche im Kloster?«
»Ich … will jemanden besuchen«, antwortete er schnell, denn er wollte seine wahre Absicht niemandem preisgeben. »Meine Schwester ist dort, ich habe sie schon seit sehr langer Zeit nicht gesehen.«
»Deine Schwester?« Die Frau musterte ihn gründlich, als hätte sie ihn beim Lügen ertappt. »Deine Eltern müssen ziemlich reich sein, wenn sie die Mitgift fürs Kloster aufbringen konnten.«
Martin war auf einmal zumute, als würde ihm jemand die Luft abdrücken. Ich wusste, ich hätte nicht herkommen dürfen, dachte er, als sich die Frau erhob.
»Wie dem auch sei«, sagte sie, während sie sich ihm näherte. »Deine Schwester wird dem Kloster sicher nicht weglaufen. Was hältst du davon, wenn ich mich jetzt mal um den anderen Hunger kümmere?«
Martin wusste zunächst nicht, was sie damit meinte. Sein Magen war voll, seine Glieder waren erstarkt, ihm mangelte es an nichts. Ein Licht ging ihm erst auf, als Anna ihre Brüste gegen seinen Kopf drängte.
»Du siehst aus, als könntest du noch etwas Wissen um die Liebeskunst gebrauchen.«
Ihre Worte durchzogen Martin heiß und kalt. Deshalb hatte sie ihn mit ins Haus genommen. Als Liebesdiener!
Augenblicklich sprang er von seinem Stuhl auf, worin Anna jedoch keine Ablehnung sah.
Ihre Arme schossen vor, und sie packte ihn. »Kannst es wohl gar nicht erwarten, wie?« Ehe er es sich versah, lagen seine Hände auf ihren Brüsten.
Martin riss entsetzt die Augen auf. »Verzeiht, gute Frau, ich würde niemals …«
»Stell dich nicht so an!«, fuhr sie ihm ins Wort und kam fast drohend auf ihn zu. »Mit mir lernst du Freuden kennen, die du nicht für möglich gehalten hättest.«
Das glaube ich dir aufs Wort, ging es Martin durch den Sinn, während er sich verzweifelt nach einer Fluchtmöglichkeit umsah. Doch der Weg zur Tür war durch den massigen Leib der Frau versperrt.
»Na, mach schon«, raunte Anna ihm zu und spitzte die Lippen zum Kussmund. »Zeig mir deine Leidenschaft!«
Immer panischer sah Martin sich um und bemerkte, dass die Läden eines Fensters ganz in seiner Nähe nur angelehnt waren.
»Ähm … schließ die Augen«, sagte er schließlich. Er wusste nicht, ob sein Plan funktionieren würde, aber einen Versuch war es wert.
Tatsächlich schloss Anna voller Vorfreude die Augen. »Was hast du mit mir vor?«, fragte sie lachend.
Martin verriet es ihr nicht, sondern reagierte blitzschnell. Mit einem Satz stürmte er zum Fenster und kletterte hinauf.
Anna stieß einen wütenden Aufschrei aus, als er die Fensterläden aufstieß.
Angst peitschte durch Martins Körper, als er Anna hinter sich hörte, doch dann war er draußen. Er verlor das Gleichgewicht und landete auf dem Boden. So schnell es ihm möglich war, kam er auf die Beine und rannte los. Dabei machte er sich nicht die Mühe, ums Haus herumzurennen, er sprang einfach kurzerhand über den Gartenzaun und lief so schnell er konnte in den Wald.
Die beiden Reiter hielten sich so gut es ging im Schatten des Waldes. Die mondhelle Nacht war ungünstig für ihr Vorhaben. Auf dem Bergfried gingen die Wächter auf
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