Die Rebenprinzessin
schien noch alles so, wie sie es verlassen hatte. Doch Bella wusste, dass der Eindruck täuschen konnte. Weinberg und Bergfried würden auch dann ruhig wirken, wenn es in der Burg brodelte.
Ach, Vater, dachte sie seufzend. Warum hat nur alles so kommen müssen? Hättest du nicht versucht, mich zu vermählen, würdest du jetzt nicht in Gefahr schweben.
»Wo wollen wir heute nächtigen?«, fragte sie Martin, der ebenfalls stehengeblieben war. Als sie sich zu ihm umwandte, bemerkte sie, dass er sie die ganze Zeit über versonnen betrachtet hatte.
»Es wäre wohl ein Fehler, die Burg deines Vaters in Erwägung zu ziehen, oder?«
Bella nickte. »Ja, das wäre es wohl. Wir wollten doch nicht mit der Tür ins Haus fallen.«
»Aber irgendwann müssen wir ihm die Warnung zukommen lassen. Wer weiß, vielleicht lauern der Fürst und Giacomo schon auf eine Gelegenheit. Gewiss beobachten sie die Burg.«
»Dann hätten sie auch uns bemerkt.«
»Davon gehe ich aus.«
Bella presste die Lippen zusammen und überlegte eine Weile. »Es soll einen alten Geheimgang geben, der zur Burg führt. Mein Vater hat ihn erwähnt, aber ich weiß leider nur, dass er irgendwo im Wald endet. Nie hat ihn jemand benutzen müssen.«
Martin grinste schief. »Den Gedanken hatte ich auch schon. Auf diesem Wege wollte ich eigentlich in die Burg gelangen, um dich zu retten.«
»Du wolltest in die Burg?«, fragte Bella erstaunt. »Obwohl mein Vater dir angedroht hat, dich zu töten, wenn du dich noch mal blicken lässt?«
»Das habe ich in Kauf genommen. Ich war sogar da, dank einer alten Frau mit einem Stock, die mich nicht verraten hat.«
Ein Lächeln schlich sich auf Bellas Gesicht. »Dann hast du meine Kinderfrau getroffen. Katrina.«
»Sie hat mir erzählt, dass du im Kloster bist.«
Bella nickte. »Sie hat wohl gewusst, wer du bist.«
»Du hast ihr von uns erzählt?«
»Nein, aber das brauchte ich auch nicht. Sie kennt mich seit meiner Geburt und hat gespürt, wie sehr du mir am Herzen liegst.«
»Ich liege dir also am Herzen?«, fragte Martin neckend.
»Sei nicht albern!«, schalt ihn Bella spielerisch. »Ich trage dein Kind darunter, falls du es schon vergessen hast.«
»Wie könnte ich das«, entgegnete Martin und betrachtete Bella einen Moment lang schweigend. Wie schön sie ist, dachte er. Und unser Kind wird es auch werden. Doch wird das den Zwist zwischen unseren beiden Familien beilegen? Oder müssen wir gemeinsam fliehen? Sie waren beide die einzigen Erben eines Grafenhauses, ihre Väter würden sie überall finden, wenn sie wollten.
»Vielleicht sollten wir den Fährmann um Quartier bitten«, schlug Martin vor. Soweit er es erkennen konnte, war an der Burg alles ruhig. Der Fürst mochte vielleicht auf der Lauer liegen, aber der Junge hätte gewiss gespürt, wenn der Edelmann und seine Getreuen in der Nähe gewesen wären.
»Du meinst Adam Höllerich?« Bella wirkte nicht überzeugt.
»Er ist kein übler Kerl«, sagte Martin. »Bei meiner letzten Überfahrt hat er mir sogar erzählt, wie er sein Auge verloren hat.«
»Und wie?«
»Man hat es ihm herausgeschnitten, weil er sich in eine Osmanin verliebt hatte.«
»Er war bei den Osmanen?«
»Ja, er hat im Heer des ungarischen Königs gegen sie gekämpft und ist in Gefangenschaft geraten.«
Bella zweifelte noch immer. »Das kaufst du ihm ab?«
»Er hat die Geschichte sehr glaubhaft erzählt. Und warum sollte es nicht stimmen?«
»Weil er viel Zeit hat, sich Geschichten auszudenken. Das würde ich jedenfalls tun, wenn ich die Menschen von einer Flussseite zur anderen bringen würde.«
Martin zuckte mit den Schultern. »Wie dem auch sei, Adam Höllerich ist gewiss kein Ungeheuer und zudem genauso gastfreundlich wie jeder andere hier. Mir hat er jedenfalls schon einige Male geholfen.«
»Nun gut, dann hoffe ich auf deine Menschenkenntnis«, entgegnete Bella. »So geschickt, wie du gerade ausgewichen bist, könntest du glatt ein Jurist sein«, setzte sie nach einer Weile hinzu.
»Aber das bin ich!«, entgegnete Martin, und nun fiel ihm wieder ein, dass er ihr noch gar nichts über sich erzählt hatte. Über den richtigen Martin, dem Sohn des Grafen von Bärenwinkel. Sie kannte bisher nur die Geschichten, die er sich in seiner Verkleidung als Pflücker aus den Fingern gesogen hatte. »Ich habe in Italien die Juristerei studiert, in Padua.«
»Das erklärt, warum du so schlecht kämpfst«, entgegnete Bella mit einem schelmischen Leuchten auf dem Gesicht. »Vielleicht
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