Die Rebenprinzessin
Esse, in der das Feuer nur noch schwach glomm. Auf dem grob gezimmerten Eichentisch leuchtete eine Kerze, die etwas ungelenk auf die andere draufgepfropft war. Weiter hinten, vom Schatten verschluckt, musste das Bett stehen, denn der Geruch nach Daunen und fettigen Laken strömte ihnen entgegen.
Adam Höllerich schloss hinter ihnen die Tür und deutete auf die Schemel vor dem Tisch. Dann holte er etwas Brot, Speck und einen Weinschlauch.
»Habt Ihr vor kurzem ein paar Männer übergesetzt?«, fragte Bella und riss sich ein Stück von dem Brot ab.
»Ich setze beinahe jeden Tag irgendwelche Leute über«, gab der Fährmann zurück und goss Wein aus einem Schlauch in drei Becher, die er von einem Regal an der Wand geholt hatte.
»In diesem Fall wird es ein recht wohlhabend aussehender Mann gewesen sein.«
»Und Giacomo der Lombarde«, fiel Martin ein. »Den kennt Ihr doch sicher, oder?«
Der Fährmann nickte bedächtig. »Ja, den kenne ich. Er ist die rechte Hand des Grafen von Bärenwinkel.«
»Meines Vaters«, platzte es aus Martin heraus.
»Das weiß ich«, gab der Fährmann mit einem versonnenen Lächeln zurück. »Glaubst du wirklich, ich hätte dich nicht erkannt? Beim ersten Mal hast du mich noch narren können mit deiner Geschichte. Beim zweiten Mal ahnte ich es schon. Ich habe dich auf dem großen Floß deines Vaters gesehen.«
Martin wollte etwas entgegnen, aber es gelang ihm nicht. Warum hatte der Fährmann nichts gesagt? Nicht, dass er auf Ehrenbezeigungen aus war, dennoch hätte der Flößer zeigen können, dass er Bescheid wusste.
»Ich weiß auch, dass ihr versucht habt, bei mir überzusetzen, um vor euren Vätern wegzulaufen«, fuhr der Fährmann fort und nahm einen Schluck von dem Wein.
Bella probierte ebenfalls und musste zugeben, dass der Tropfen nicht schlecht war. Beinahe wie der in unserem Keller, kam es ihr in den Sinn.
»Nur leider war ich nicht auf der richtigen Seite. Aber es ist nicht so, dass ich dir das nicht gesagt habe, junger Bärenwinkel.«
»Das habt Ihr. Und es tut auch jetzt nichts mehr zur Sache«, entgegnete Martin, denn ein unangenehmes Gefühl beschlich ihn. Hatte Adam den Verstand verloren, oder warum kam er jetzt auf dieses Thema?
»Wir wollen nur wissen, ob Giacomo und der reiche Herr hier übergesetzt haben«, fuhr Bella sanft fort. »Und mit wie vielen Männern. Die Burg meines Vaters und der Weinberg sind in Gefahr. Der Fürst von Hohenstein plant einen Anschlag auf unsere Familie.«
Die Miene des Fährmanns wurde ernst. »Was diese Männer angeht, so habe ich sie tatsächlich übergesetzt. Zweimal, einmal hin und nach einem Tag wieder zurück. Sie hatten eine schwere Kutsche bei sich, die sie wieder mitgenommen haben, aber einer der Männer muss drüben geblieben sein.«
»Der Heiratswerber«, wisperte Bella, lauschte dann aber weiter den Ausführungen des Fährmanns.
»Natürlich haben sie mir ihre Absichten nicht offenbart, und ich habe nicht danach fragt. Aber ich habe gemerkt, dass sie in kriegerischer Absicht unterwegs waren. Ihre Pferde haben sie hinter dem Floß herschwimmen lassen.«
»Haben sie etwas darüber verlauten lassen, was sie vorhaben?«, wollte Martin wissen.
»Welcher gute Soldat würde das schon tun?«, fragte Adam Höllerich zurück. »Nein, sie haben die ganze Zeit über geschwiegen.«
Bella blickte zu Martin. Dass Roland von Hohenstein mit seinen Soldaten über den Fluss gefahren war, bewies noch gar nichts. Um ihrem Vater glaubhaft zu versichern, dass Gefahr bestand, brauchten sie mehr. Doch woher nehmen?
»Wenn Ihr meine Hilfe benötigt, gnädiges Fräulein, so stehe ich zu Euren Diensten. Allerdings bin ich nur ein abgehalfterter Soldat mit einem verbliebenen Auge.«
»Ihr braucht uns nicht zu helfen«, entgegnete Bella sanft. »Wenn wir meinen Vater warnen, wird er sich mit seinen Männern schon zu verteidigen wissen. Aber vielleicht könntet Ihr darauf achten, dass niemand den Fluss überquert. Natürlich nur, wenn Ihr nicht auf die andere Seite müsst.«
Der Fährmann lächelte, wodurch die Augenklappe hochrutschte und die vernarbte Haut zu sehen war. »Wenn ich auf der anderen Seite bin, wäre es wohl das Beste, was passieren kann.«
Bella verstand, was er damit sagen wollte, und lächelte ihm zu. »Tut, was immer Ihr tun wollt. Wir werden versuchen, noch heute zu meinem Vater zu gelangen und ihn zu warnen.«
»Viel Glück, gnädiges Fräulein. Möge er auf Euch hören. Er soll in letzter Zeit vor lauter Verbitterung
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