Die Rebenprinzessin
verschwunden war. War sie immer noch dort?
Außer einer Frau, die an einem Stock gerade aus der Tür kam, konnte er nichts entdecken. Also musste er wohl oder übel an die Werkbank zurück.
War er soeben noch verzaubert gewesen von der Erinnerung an die unbekannte Schöne, kehrte beim Ansetzen des Meißels auf dem Fass die alte Verzweiflung zu ihm zurück.
Man müsste das Holz abhobeln, wenn man es wieder hell bekommen wollte, dachte er ärgerlich und war davon überzeugt, dass dies auch der Fassmeister wusste.
Als er sich dem nächsten Fass zuwenden wollte, dessen Holz schon fast eine bläuliche Farbe angenommen hatte und das einige Schimmelstellen aufwies, bemerkte er eine Bewegung neben sich. Als er den Kopf zur Seite wandte, sah er den Burschen von vorhin. Diesmal hatte er noch zwei Kumpane mitgebracht. Einer von ihnen trug sein langes dunkles Haar zu einem Zopf zusammengebunden, der andere hatte halblange blonde Locken, die ihm ins Gesicht hingen. Der Kleidung nach zu urteilen waren sie Knechte wie Thomas.
Was sie vorhatten, konnte er von ihren Mienen ablesen.
»Na, wie geht’s mit der Arbeit voran?«, fragte Thomas spöttisch, während er die Arme vor der Brust verschränkte.
»Besser als bei dir, wenn du hier nur herumstehst«, gab Martin zurück und wandte sich scheinbar unbeteiligt dem Fass zu. Sein Blick fiel dabei allerdings auf die Eisenstreifen, mit denen die neuen Fässer zusammengehalten wurden. Es handelte sich um Rohlinge, die erst noch im Feuer gebogen werden mussten. Wenn diese Burschen ihn angriffen, würde er sich damit verteidigen können.
Da packte ihn auch schon eine Hand im Genick. Ehe Martin sich mit dem Meißel verteidigen konnte, entglitt ihm das Werkzeug und fiel zu Boden. Der Schemel, auf dem er gesessen hatte, kippte zur Seite.
»Hör zu, Freundchen, wenn du eine Weile hier bleiben willst, hältst du besser die Klappe und machst, was wir sagen. Sonst findest du deine verfaulenden Knochen bald in der Lahn wieder.«
Auf ein Zeichen von Thomas ließ der Knecht ihn wieder los, und Martin fiel auf die Knie.
Während der Zorn wie ein wildes Tier in ihm wütete, blickte er zu den Burschen auf. Am liebsten hätte er ihnen das Grinsen aus dem Gesicht geschlagen, doch wahrscheinlich hätte ihm der Fassmeister nicht geglaubt, dass die drei angefangen hatten. Immerhin war er der Neue hier!
Nachdem die Kerle ihn noch eine Weile abschätzig gemustert hatten, machten sie kehrt und traten nach draußen.
Martin rappelte sich auf und klopfte sich den Staub von den Kleidern. Ein schöner Beginn, dachte er. Vielen Dank, Vater, für diese miese Aufgabe.
Doch alles Hadern nützte nichts. Er ließ sich wieder auf den Hocker nieder, griff nach der Bürste und setzte seine Arbeit fort. Dabei nahm er sich vor, beim nächsten Mal schneller und besser zu reagieren.
Als Bella mit dem Ankleiden fertig war, betrachtete sie sich im Silberspiegel. Das Grün des Kleides betonte ihre Augen, und das Rot verlieh ihrem Antlitz Frische. Es saß wie angegossen, gleich so, als hätte ihr Vater geahnt, dass sie in den vergangenen Jahren nicht sonderlich füllig geworden war. Eigentlich gab es keinen Grund, sich zu beschweren. Doch wie fremd ihr plötzlich das prachtvolle Gewand erschien. All die Jahre hatte sie das Kleid einer Schwesternschülerin getragen. Jetzt wieder Samt und Seide auf der Haut zu spüren, erschien ihr eigenartig.
Sie drehte sich vor dem Silberspiegel hin und her, doch noch wollte sie die Gestalt darin nicht so recht erkennen.
Das ist vielleicht gut so, dachte sie traurig. Sicher ist es besser, wenn sich die alte Bella hinter der Frau in Samt und Seide versteckt. Vielleicht wird es dann erträglicher, dem Heiratswerber gegenüberzutreten.
»Ihr könnt jetzt gehen«, sagte sie zu den Mägden, die still hinter ihr verharrten und sie fast schon neidvoll anstarrten.
Wahrscheinlich wäre es für sie das höchste Glück, von Fürst von Hohenstein geheiratet zu werden und als Gattin des Königsgünstlings auf irgendeiner entlegenen Burg zu versauern.
Als die Mägde fort waren, wandte Bella sich ebenfalls der Tür zu. Noch immer wollte ihr nichts einfallen, wie sie Herrn von Uhlenfels davon abbringen konnte, seinem Gebieter von ihrer Schönheit vorzuschwärmen.
Ihr blieb daher nichts anderes übrig, als sich in ihr Schicksal zu fügen.
Bevor sie sich der Tür zuwenden konnte, öffnete diese sich wie von Geisterhand. Offenbar war ihr Vater bereits ungeduldig – oder er wollte diesmal kein
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