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Die Rebenprinzessin

Die Rebenprinzessin

Titel: Die Rebenprinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corinna Neuendorf
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auch nicht zurückweichen, was den Fürsten von Hohenstein betrifft. Wahrscheinlich hat er längst gewusst, dass er kommen würde. Offenbar kann er es nicht erwarten, mich endlich los zu sein.

6. K APITEL
     
    Die erste Nacht in ihrer Kemenate fühlte sich für Bella merkwürdig an. Sie war es gewohnt, dass die Luft kühl war, wenn sie unter ihre Decke schlüpfte, und dass die Strohunterlage die Härte des Bettkastens nicht abzufedern vermochte.
    In diesem Bett versank sie nun wie in einem weichen Meer, und es war ihr unmöglich, eine Schlaflage zu finden, die ihr angenehm gewesen wäre. Ihr Rücken bog sich durch, und ihr Nacken schmerzte bei der ungewohnten Lage.
    Wahrscheinlich wäre ich krumm wie ein Haken, hätte ich weiter in dem Klosterbett geschlafen, ging es ihr durch den Sinn, nachdem sie sich wieder einmal auf den Bauch gedreht und mit der Faust wütend auf das Kissen eingeschlagen hatte. Aber vielleicht liegt meine Schlaflosigkeit auch an dem Abend mit Hans von Uhlenfels.
    Der Heiratswerber war gar nicht mehr aus dem Anpreisen seines Herrn herausgekommen. Er lobte die guten Beziehungen zu König Sigismund und Herzog Albrecht V., der bereits einen großen Teil der königlichen Besitzungen übernommen hatte. Der alte König war schwach und kränklich, und so mancher rechnete mit seinem Ableben noch bevor das Jahr zu Ende ging.
    Geistesgegenwärtig hatte sich der Roland von Hohenstein dem neuen Königsanwärter angedient und würde wohl auch nach dem Wechsel der Krone in dessen Gunst stehen.
    Während ihr Vater Interesse gezeigt oder vielleicht auch geheuchelt hatte, hatte Bella das alles todlangweilig gefunden. Und unsympathisch. Das Bild, das sie sich von diesem Mann machte, war das eines kriecherischen Speichelleckers, der sein Fähnlein nach dem Wind zu drehen verstand. Solche Menschen hatte auch die Mutter Oberin im Kloster verabscheut, wenngleich sie nicht umhingekommen war, zuweilen mit ihnen Geschäfte abzuschließen.
    Nach langem Hin- und Herwälzen gelang es Bella schließlich doch, die unangenehmen Gedanken zu verdrängen und ein wenig Schlaf zu finden.
    Allerdings machten sich ihre alten, vom Kloster anerzogenen Gewohnheiten gegen Morgen bemerkbar. Selbst ohne das Läuten der Matutinglocke erwachte sie zur dritten Stunde. Draußen herrschte noch finstere Nacht, und bis auf das Raunen des Windes waren keine Geräusche zu vernehmen.
    Die junge Frau richtete sich auf und blickte sich um. Mondlicht fiel durch die Fenster, fing sich in dem Spiegel an der Wand und wurde auf die gegenüberliegende Wand zurückgeworfen. Der verwaschene kreisrunde Fleck wirkte beinahe wie ein Abbild des Erdbegleiters, und die Schatten der Bäume sahen aus wie Gespenster. Auf dem Stuhl vor dem Bett hing noch immer das Kleid, das in dem fahlen Licht an ein Trauergewand erinnerte.
    Schon morgen, dachte Bella, während sie das abendliche Gespräch mit Hans von Uhlenfels rekapitulierte, morgen wird Roland von Hohenstein hier ankommen. Und ich weiß nicht, wie ich ihm entgehen soll.
    Während sich das Unwohlsein erneut in ihr zusammenzog, beobachtete sie den Schatten eines Vogels, der am Fenster vorbeihuschte. Erneut dachte sie an die Taube, die aus Oldenlohes Quartier geflattert war. Für das Tier hatte sich nur eine Tür öffnen müssen, damit es in die Freiheit entfliehen konnte. Für Bella würde es schwieriger werden.
    Möglicherweise fällt mir eine Lösung ein, wenn ich Mutter besuche, sagte sie und erhob sich, von diesem Gedanken angetrieben, aus dem Bett. Rasch huschte sie zu der Kleidertruhe, in der die Mägde ihr Ordenskleid verstaut hatten. Sie hatte keine Ahnung, ob die Truhe auch noch andere Kleider enthielt. Hätte sie sich nicht mit ihrem Vater gestritten, dann hätte sie es gewagt, Wünsche anzumelden. So musste sie jedoch abwarten. In dem grünen Gewand würde sie jedenfalls nicht die ganze Zeit über herumlaufen.
    Sie betrachtete sich selbst als Weinbäuerin – diese Aussage hatte sie nicht nur wegen Hans von Uhlenfels getroffen. Dementsprechend wollte sie gekleidet sein wie jemand, der es gewohnt war, im Weinberg zu arbeiten. Aber im Moment zog es sie nur zu ihrer Mutter.
    Nachdem sie das Gewand übergezogen und gegürtet hatte, band sie ihre Haare zu einem Zopf zusammen und schlich aus dem Zimmer. Auf ihre Pantinen verzichtete sie, denn die machten zu viel Lärm. Es war unwahrscheinlich, dass ihr Vater, dessen Gemächer in einem anderen Flügel der Burg lagen, auf sie aufmerksam wurde. Aber sie wollte

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