Die Rebenprinzessin
Risiko eingehen. Die Gestalt des Grafen ragte beinahe drohend im Türgeviert auf, doch seine strenge Miene milderte sich, als er Bella in ihrem neuen Gewand sah. Er machte den Eindruck, als wollte er in Tränen ausbrechen, und mit einer Hand krallte er sich in den Türrahmen.
»Gefalle ich dir jetzt besser, Vater?«, fragte Bella kühl.
Der Graf erwiderte daraufhin erst einmal nichts. Er musterte seine Tochter von Kopf bis Fuß, als suchte er nach einem Fehler, dann antwortete er: »Bella, ich …«
»Ja?«
»Diese Hochzeit muss sein, Bella. Fürst von Hohenstein ist ein einflussreicher Mann, er wird dafür sorgen, dass unser Weinberg auch für die nächsten Generationen erhalten bleibt.«
»Das sagtest du bereits«, entgegnete Bella und konnte sich des abweisenden Tonfalls in ihrer Stimme nicht erwehren. »Aber ich könnte unseren Weinberg genauso gut halten, vielleicht sogar noch besser als jeder andere, der keine Ahnung vom Weinbau hat.«
Rudolph von Katzenburg seufzte und senkte den Kopf. Er hatte keine Lust, diesen Diskurs erneut anzufangen. »Komm jetzt«, sagte er ebenso kühl wie sie zuvor. Offenbar war er zu dem Schluss gekommen, dass alles gute Zureden nichts nützte.
Bella schritt auf ihn zu und hob ihren Rock dabei leicht an, damit er nicht auf dem Boden schleifte. Als sie bei dem Grafen angekommen war, suchte sie seinen Blick, doch er starrte auf eine unbestimmte Stelle am Türrahmen.
Schweigend durchquerten sie den Gang und erreichten schließlich die Gemächer ihres Gastes.
»Herr von Uhlenfels, meine Tochter Bella.«
Erneut war der Heiratswerber sprachlos, diesmal aber nicht, weil Bella so eine unansehnliche Gestalt abgab. Er musterte sie mit offenem Mund und derart intensiv, dass es der jungen Frau fast schon unangenehm war.
»Ich muss ja sagten, Graf, Ihr habt, was Eure Tochter betrifft, wirklich nicht übertrieben.«
Bella hätte am liebsten die Augen verdreht. Dieser schmierige Fettbrocken tat tatsächlich so, als hätte ihr Auftritt in Lumpen nicht stattgefunden. Sicher, das war taktvoll, aber auch über die Maßen verlogen. Abscheu machte sich in Bella breit. Sie hasste es, wenn Menschen logen, obwohl andere die Wahrheit bestens kannten.
Wie ihr Vater darüber dachte, wusste sie nicht, doch sie sah ein säuerliches Lächeln über sein Gesicht huschen, bevor er entgegnete: »Bitte verzeiht meiner Tochter den kleinen Spaß, den sie sich erlaubt hat.«
»Es ist gewiss nicht so, dass mein Herr und ich Humor bei einer Frau nicht zu schätzen wissen«, gab Hans von Uhlenfels jovial zurück. »Gewiss wollte die junge Dame nur prüfen, ob sie mir auch ohne den Blick auf Äußerlichkeiten gefällt.«
Nein, ich wollte Euch verschrecken, ging es Bella durch den Sinn, doch sie biss sich gerade noch so auf die Zunge, bevor die Worte aus ihr hervorplatzen konnten.
Graf von Katzenburg führte seine Tochter nun zu ihrem Platz, der ebenso wie der Rest der Tafel prachtvoll geschmückt war. Eine silberne Platte thronte dort, umringt von einigen Weinblättern, und daneben, auf einem feinen Leinentuch, lagen ein Messer und ein Löffel. Die Pokale waren ebenfalls aus Silber. Bella hatte sie noch nie zuvor gesehen.
Hat Vater sie eigens für diesen Anlass anfertigen lassen?, fragte sie sich.
Der Anblick der Gravuren auf dem Pokal lenkte sie immerhin ein wenig von dem feisten Gesicht des Heiratswerbers ab. Noch immer musterte er sie unverschämt und vergaß darüber sogar seine Hühnerschlegel.
»Der Herr von Hohenstein wird entzückt sein von Eurer Tochter, verehrter Graf«, sagte er, und nachdem er einen Schluck Wein hinuntergestürzt hatte, wandte er sich direkt an Bella. »Mein Herr brennt förmlich darauf, Euch kennenzulernen. Er ist schon seit einiger Zeit auf der Suche nach einer Gemahlin. Die Familie der Hohensteins ist ein sehr altes und einflussreiches Geschlecht.«
Das scheint die adligen Damen der Gegend bisher nicht dazu gebracht zu haben, ihn als Ehegatten zu begehren, spottete Bella im Stillen. Sie griff nun ebenfalls nach ihrem Pokal, nahm einen Schluck und schloss die Augen. Während die Flüssigkeit ihre Zunge und ihren Gaumen umspielte, spürte sie den Aromen nach, die jeder gute Wein in sich trug. Sie schmeckte grünes Laub und Gras, außerdem Stachelbeeren und Äpfel.
Als sie die Augen wieder öffnete, fiel ihr Blick auf den Herrn Uhlenfels. Würde er diese Aromen erkennen? Würde es sein Herr vermögen?
Bella bezweifelte es, denn ihr Gegenüber stürzte den Inhalt seines
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