Die Rebenprinzessin
hatte. Seufzend blickte sie zu den Fenstern hinauf.
Mutter, bist du irgendwo da oben?, fragte sie sich. Hörst du vielleicht meine Gedanken? Dann schicke mir bitte ein Zeichen, ob du einverstanden bist oder nicht. Oder bringe Vater am besten gleich davon ab, mich mit diesem Fürsten von Hohenstein zu vermählen.
Als die Kirchentür plötzlich zuschlug, fuhr sie zusammen. War das ein Zeichen? Nein, sicher nur der Wind, dachte Bella traurig, während sie sich wieder erhob. Wenn es möglich gewesen wäre, hätte Mutter meinen Vater gewiss auch davon abgehalten, mich ins Kloster zu schicken. So wenig wie die Toten die Klagen der Lebenden hörten, konnten sie Wünsche erfüllen.
Nachdem er beinahe den gesamten Keller abgesucht hatte, war Martin immer noch nicht schlauer. Weder bei den Fässern noch bei den Werkzeugen hatte er etwas Außergewöhnliches gefunden. Da sich der Himmel bereits zu röten begann, löschte er rasch die Fackel und verließ den Weinkeller.
Noch immer lag der Hof verlassen da. Die weiße Gestalt war und blieb verschwunden.
Du hast doch wohl nicht ernsthaft geglaubt, dass sie sich die ganze Nacht über draußen herumtreiben würde, wie du es getan hast?, ging es ihm durch den Sinn, als er wieder der Scheune zustrebte. Er wollte gerade durch das Tor schlüpfen, als hinter ihm eine Stimme schnarrte: »Was hast du zu solch früher Stunde auf dem Hof zu suchen?«
Martin zuckte ertappt zusammen. Als er sich umwandte, erblickte er den Kellermeister. Der Mann wirkte keineswegs so, als sei er aus dem Bett gefallen, weil ihn die Blase drückte. Die ordentliche Kleidung und das gekämmte graue Haar deuteten vielmehr darauf hin, dass er immer so früh aufstand.
»Ich wollte mir nur ein wenig die Beine vertreten«, antwortete Martin schnell.
»Und dazu musst du über den ganzen Hof laufen?«
Ahnte der Kellermeister etwas? Martin wurde es schlagartig heiß und kalt. Es kostete ihn große Anstrengung, sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr sein Herz in diesem Augenblick raste.
»Ich wollte mir den Hof nur ein wenig anschauen, bevor die Arbeit losgeht«, entgegnete er, und da kam ihm auch der rettende Gedanke. »Dann brauche ich später nicht so lange zu suchen, wenn mich wieder irgendwer irgendwo hinschickt.«
Der Kellermeister schien dieser Antwort immer noch nicht so recht zu trauen, aber er ließ es dabei bewenden.
»Nun gut, Bursche, geh zurück in die Scheune. Nach dem Morgenläuten werden wir alles für die morgen beginnende Lese vorbereiten.«
Martin verneigte sich untertänig, dann rannte er in Richtung Scheune, während ihm das Herz bis zum Hals klopfte. Und das, obwohl ich nicht das Geringste gefunden habe, dachte er wütend, als er die Scheunentür wieder hinter sich zuzog.
Inzwischen regten sich auch die anderen Burschen. Die ersten kletterten bereits die Leiter herunter und strebten dem Wasserbottich zu. Einigen hing noch immer Stroh in den Haaren, andere musterten ihn neugierig.
»He, wo kommst du denn her?«, fragte einer, den die anderen Janosch nannten. Er kam aus dem weit entfernten Polnischen und hatte sich in den Kopf gesetzt, in deutschen Landen ein gemachter Mann zu werden. Seine bereits lang andauernde Wanderung hatte ihm sehr gute Kenntnisse der Sprache eingebracht, so dass er unter den anderen Burschen kaum auffiel. Martin musste zugeben, dass Janosch der Einzige war, von dem er sich ein paar Dinge gemerkt hatte.
»Ich habe mir nur mal kurz die Füße vertreten«, entgegnete er.
»Wart’s ab, wenn du erst mal eine Weile hier bist, wirst du dich danach sehnen, länger im Stroh liegen bleiben zu können!«, rief ihm einer der Burschen zu, die schon länger hier waren.
Ein paar von den anderen stießen zustimmendes Gelächter aus.
Martin reagierte nicht darauf, sondern ordnete seine Kleider. Ihm war klar, dass ihm der entgangene Schlaf empfindlich fehlen würde. Aber das kalte Wasser im Waschtrog würde die Schleier der Nacht gewiss von ihm abwaschen.
7. K APITEL
Die Kutsche quälte sich mühsam den gewundenen Weg hinauf. Weder hatte Regen ihn aufgeweicht, noch war er besonders ausgefahren, dennoch mühten sich die Pferde, das schwere Gefährt voranzuziehen.
Roland von Hohenstein trommelte ungeduldig mit den Fingern auf sein schwarz bestrumpftes Knie, das der Schaft seines Stiefels halb bedeckte. Fast reute es ihn, die Fahrt angetreten zu haben. Wofür?, fragte er sich. Für die Tochter eines adligen Weinbauern. Bin ich schon so tief gesunken, dass ich mich mit
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