Die Rebenprinzessin
genutzt hätte, um ein wenig zu schnüffeln.
Martin war sich dessen bewusst, dass er Verdacht erregen konnte, wenn er sich jetzt aus der Scheune stahl, doch bei Tage konnte er sich nicht ungestört umsehen.
Während des Abendessens, das aus Grütze und Brot bestand, hatten sie ständig zu ihm herübergesehen, als gönnten sie ihm keinen einzigen Löffel seiner Mahlzeit. Wahrscheinlich war dem auch so. Doch in Anwesenheit des Kellermeisters, der mit ihnen aß, wagten sie nicht, irgendwelche Bemerkungen fallen zu lassen.
Zusammen mit den neuen Knechten war Martin ein Schlafplatz in der Scheune angewiesen worden. Da sie nur während der Lese auf dem Gut beschäftigt waren, gab man ihnen keine eigenen Quartiere. So musste er sich den Heuboden mit gut zehn anderen Männern teilen. Deren Namen hatte er sich nur teilweise gemerkt, doch er wollte hier auch keine tiefergehenden Freundschaften schließen. Immerhin einen eigenen Strohsack hatte man ihm zugestanden, und der war komfortabler als alles, was er während seiner Reise unter den Leib bekommen hatte.
Nachdem Martin sich vergewissert hatte, dass alle Pflücker in seiner Nähe tief und fest schliefen, erhob er sich und schlich leise an den anderen vorbei. Hin und wieder grunzte einer der jungen Männer im Schlaf oder drehte sich auf dem Strohlager herum. Einer begann plötzlich zu reden, was Martin augenblicklich erstarren ließ. Aber wie er schon bald erkannte, himmelte der Bursche im Traum nur seine Liebste an und goss glühende Liebesschwüre über ihr aus.
Schmunzelnd setzte Martin seinen Weg fort und erreichte bald darauf die Heuleiter. Die Sprossen knarrten leise unter seinem Gewicht, hielten jedoch, so dass er wenig später an den Pferden vorbei zur Stalltür eilen konnte.
Der Mond stand jetzt beinahe senkrecht über der Burg; viele Schatten, in denen er sich verbergen konnte, würde es nicht geben. Die Morgenstunde war zwar noch fern, dennoch konnte jederzeit jemand nach draußen treten, um sich zu erleichtern. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass dem nicht so war, schlüpfte er durch das Tor und schloss es hinter sich wieder. Obwohl man ihn im weiteren Verlauf des Tages hierhin und dorthin geschickt hatte, hatte noch niemand die Zeit gefunden, ihm alles in Ruhe zu zeigen. So musste er sich entweder durchfragen oder so lange hinter irgendwelche Türen schauen, bis er den richtigen Ort gefunden hatte.
Der Weinkeller war einer der Orte gewesen, an die er noch nicht gehörte. Das hatten ihm die Männer, die dort beschäftigt waren, unmissverständlich klargemacht, indem sie ihn fortgejagt hatten.
Vielleicht finde ich ja dort etwas, dachte Martin. Ein neues Kelterverfahren. Oder einen Hexenzauber.
Als er um die Scheune herumlief, bemerkte er eine weiße Gestalt, die über den Hof eilte. Der Anblick traf ihn völlig überraschend und ließ ihn Schutz hinter der Ecke suchen, um die er gerade gebogen war.
Während er beobachtete, wie das Hemd um die schlanke Gestalt flatterte und ihr Haar immer wieder aufwehte, kamen ihm wieder die Geschichten in den Sinn, die ihm seine alte Amme über weiße Frauen erzählt hatte. Beim Grafen von Katzenburg war es wohl unwahrscheinlich, dass ihn ein baldiger Tod hinwegraffte. Aber vielleicht war diese geisterhafte Frau dafür verantwortlich, dass ihm gelang, was auch immer er anpackte.
Nein, diese Gestalt erschien ihm keineswegs wie ein Geist oder eine Fee. Vielmehr schien es eine arme Seele zu sein, die in ihrem Bett keine Ruhe gefunden hatte.
Handelte es sich womöglich um die Tochter des Grafen?
Beim Abendessen hatte er gehört, wie die Knechte von ihr geredet hatten. Das meiste davon sollte der Graf besser nicht zu hören bekommen, aber beinahe alle waren sich einig, dass die junge Frau eine Schönheit war. Eine unglückliche Schönheit, wenn man dem, was sie hinzufügten, glauben konnte. Nachdem ihr Vater sie über Jahre hinweg in einem Kloster eingesperrt hatte, wollte er sie nun mit einem Günstling des Königs verheiraten.
Offenbar sind mein Vater und Rudolph von Katzenburg doch nicht so verschieden, ging es Martin erneut durch den Sinn. Wenn es da nicht den alten Zwist gäbe, könnten die beiden beste Freunde sein.
Wieder fiel sein Blick auf die Gestalt, und er versuchte sich zu erinnern, wie die Grafentochter ausgesehen hatte. Als Kind waren sie einander begegnet, allerdings nur kurz, denn sofort hatten ihre Väter sie getrennt.
Doch mehr als die Erinnerung an ein Mädchen mit runden Wangen konnte er aus
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