Die Rebenprinzessin
entfachte ein unangenehmes Brennen unter seinem Brustbein. Ihrem Vater schon, aber widerfährt das, was ich dem Grafen antue, letztlich nicht auch ihr?
»Wo bleibst du denn?«, riss ihn Bellas Ruf aus seinen Gedanken fort. »Komm schon, wir sind gleich da!«
Martin versuchte so zu tun, als hätte der vorherige Gedanke ihn nicht berührt. »Du rennst zu schnell!«, entgegnete er und schloss sich ihr dann wieder an.
Schließlich erreichten sie einen Bereich des Weinbergs, der etwas südlicher von den anderen Rebstöcken lag. Der Wind, der hier wehte, war etwas milder.
Anhand der Farbe der Reben und der Blätter erkannte Bella auf Anhieb, dass dies nicht die gewöhnlichen Heunisch-Trauben waren. »Das hier muss er sein«, sagte sie und berührte fasziniert die Blätter der jungen Weinstöcke, als wären sie Juwelen.
»Bist du sicher?«, fragte Martin, denn ihm fielen keine sonderlichen Unterschiede auf.
»Ganz sicher«, entgegnete die Grafentochter, während sie auf einen Rebstamm und die Triebe deutete, die davon abgingen. »Siehst du die Verholzung hier? Das ist ausschließlich einjähriges Holz. Nach der ersten Lese wird es größtenteils abgeschnitten, damit sich neue Triebe bilden können.« Von einer seltsamen Erregung gepackt fiel sie auf die Knie und begann, die Erde rings um den Stock ein wenig aufzuscharren.
Martin fragte sich zunächst, was das zu bedeuten hatte, dann bemerkte er, dass sich zwischen dem Sand Wurzeln befanden. Sie waren zart wie Haar, und Bella behandelte sie mit äußerster Vorsicht.
»Siehst du das hier?«, fragte sie und deutete nach unten. »Das sind die Tauwurzeln. Sie nehmen das Wasser für die Pflanze auf und liegen deshalb so weit oben, damit sie jeden Tropfen, der auf den Boden fällt, gleich aufsaugen können.«
Bevor sie ihre Ausführungen fortsetzen konnte, ertönte vom Fuße des Berges her ein lautes Poltern.
»Ich glaube, dein Vater bekommt Besuch.« Martin deutete auf den Weg, der sich durch das Gebüsch zur Burg hinauf schlängelte. Eine stark wackelnde Kutsche mühte sich den Weg entlang, und die Pferde, die sie zogen, wirkten erschöpft.
Bella richtete sich auf und erstarrte augenblicklich. »Das ist der Fürst von Hohenstein!« Ihre Worte waren nicht mehr als ein Flüstern voller Entsetzen.
Martin runzelte die Stirn. »Bist du dir sicher? Ich kann von hier aus kein Wappen erkennen.«
»Aber doch sicher die Lakaien, oder?«, hielt Bella dagegen.
»Du meinst die Gestalten, die sich an die Kutsche klammern, als ginge es um ihr Leben?«
»Ja, genau die meine ich.«
»Nun gut, wer sich Diener und Begleitreiter leisten kann, muss schon bedeutend sein. Reist der Fürst seinem Werber etwa nach?«
»Wie du siehst.«
»Dann muss er es ja sehr eilig haben, ein Weib zu freien.«
Bella lagen dazu so einige Worte auf der Zunge, besonders was das Alter Roland von Hohensteins betraf. Doch ihre Furcht vor der Heirat und die Abneigung gegen den fürstlichen Bräutigam waren so groß, dass sich ihr Hals wie zugeschnürt anfühlte.
»Ich glaube, wir sollten besser gehen«, hörte sie Martin wie aus weiter Ferne sagen. Diesmal umschloss seine Hand die ihre, um sie mit sich zu ziehen.
Als sie die Burg erreichten, preschte die Kutsche gerade auf den Hof. Das Getöse der Räder und Pferdehufe hallte ohrenbetäubend laut von den Burgmauern wider.
Bella hatte auf einmal das Gefühl, als würde sich ein Stein auf ihre Brust senken. Einer von jenen zentnerschweren Brocken, die im Frühjahr allzu gern aus dem Acker wuchsen und die Pflugscharen der Bauern verdarben.
Die Kutsche machte halt, die Lakaien sprangen herunter, und einer eilte um das schwere Gefährt herum, um seinem Herrn die Tür zu öffnen. Die Begleitreiter zügelten ihre Pferde und saßen ab, während sie ihre Blicke misstrauisch über die Leute schweifen ließen, die sich auf dem Burghof befanden. Kaum einer von ihnen eilte davon, weil ihn das, was da vor sich ging, nicht interessierte.
Während Bella mit vor Angst klopfendem Herzen beobachtete, wie ein Mann in einem roten Mantel aus dem Gefährt kletterte, bemerkte sie, dass etwas mit einem der Hinterräder nicht in Ordnung war. Es wirkte notdürftig geflickt. Offenbar hat mich Gott doch erhört, ging es ihr durch den Sinn. Nur genützt hat es leider nichts.
Von dem Rad wanderte ihr Blick wieder auf die Gestalt des Gastes. Überraschenderweise war Roland von Hohenstein nicht so alt, wie sie gedacht hatte. Dem Aussehen nach zu urteilen schätzte sie ihn etwas
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