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Die Rebenprinzessin

Die Rebenprinzessin

Titel: Die Rebenprinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corinna Neuendorf
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ihm einen giftigen Blick zu. »Spottest du etwa über mein Elend? Ich denke, du wolltest mich beschützen?«
    »Und du hast gesagt, dass du keinen Beschützer brauchst.«
    »Das stimmt. Aber ich brauche auch keinen Spott. Sei froh, dass man dich nicht mit jemand Unliebsamem vermählen will.«
    Wenn du wüsstest, dachte Martin, versagte sich jedoch eine Erwiderung.
    »Verzeih mir«, meinte Bella einsichtig, da sie sein Schweigen als Verletztheit auslegte. »Ich bin im Moment nicht ich selbst. Ich habe mich so sehr gefreut, wieder herzukommen, und jetzt soll ich vermählt werden. Das kann man nicht gerade als gerecht bezeichnen, oder?« Martin schüttelte den Kopf, worauf sie hinzusetzte: »Meine Schlaflosigkeit liegt aber vor allem daran, dass wir im Kloster immer um diese Zeit aufgestanden sind, um das Morgengebet abzuhalten.«
    »Warum hat dich dein Vater eigentlich ins Kloster gesteckt?«, fragte Martin.
    Bella senkte den Kopf und stocherte kurz mit der Schuhspitze im Sand herum. Dann blickte sie auf, und ohne ihm eine Antwort zu geben, griff sie nach seiner Hand. »Komm mit!«
    »Wohin willst du?«, fragte Martin, während er ihr hinterhereilte.
    »Ich habe dir doch einen Spaziergang durch den Weinberg versprochen«, entgegnete Bella, während sie sich lächelnd nach ihm umwandte. »Und ich halte meine Versprechen.«
    »So früh?«
    »Hast du nachher mehr Zeit?«, fragte die Grafentochter, ohne langsamer zu werden.
    Um sich mit ihr unterhalten zu können, ohne zu schreien, musste er wohl oder übel mit ihr Schritt halten. »Nein, aber wenn dein Vater …«
    »Glaubst du wirklich, mein Vater würde mich persönlich wecken?«
    »Nein, aber die Mägde könnten ihm dein Fehlen melden.«
    »Er glaubt ganz sicher nicht, dass ich geflohen bin. Wie sollte ich das auch anstellen? Zu Fuß und dann über den Fluss schwimmen? Oder darauf hoffen, dass die Fähre gerade auf der richtigen Seite des Ufers liegt?« Bella hielt einen Moment inne, als sei das Gesagte tatsächlich eine Möglichkeit, die sie in Erwägung ziehen könnte. Dann schüttelte sie fast unmerklich den Kopf und fuhr fort: »Nein, ich kann nicht von hier weg. Genaugenommen will ich das auch gar nicht. Ich liebe den Weinberg. Auf jeden anderen Ort in der Welt könnte ich verzichten, aber nicht auf ihn.«
    »Bist du dir da ganz sicher?«
    »Warum denn nicht?«
    »Weil es auch in anderen Ländern Weinberge gibt. Sicher würdest du dich in Italien genauso wohl fühlen.« Wieso sage ich das, fragte sich Martin im nächsten Augenblick. In Italien wartet Rosalina auf mich …
    »Als ob du etwas von den Weinbergen Italiens verstehst!«, entgegnete Bella spöttisch.
    »Vielleicht verstehe ich mehr davon, als du denkst«, gab Martin zurück, worauf Bella verwirrt schwieg. »Also, was ist?«, fragte er schließlich. »Willst du mir noch immer den Weinberg zeigen?«
    »Glaubst du etwa, ich stehe nicht zu meinem Wort?«, gab sie zurück.
    »Ach, deshalb bist du schon so früh unterwegs«, antwortete der Bursche. »Du konntest es nicht abwarten, mich zu entschädigen.«
    »Bilde dir bloß nichts ein!«, warnte die Grafentochter ihn gleich vor. »Die Entschädigung besteht einzig und allein in einer Führung durch den Weinberg und der Geschichte meiner Familie. Mehr nicht.«
    Martin blickte sie an, als wollte er widersprechen.
    Bella fragte sich, woher ein einfacher Pflücker nur eine solche Dreistigkeit nahm. Doch dann umfingen sie die Blätter der Rebstöcke, und auf einmal fühlte sie sich wieder wie damals, als sie noch ein Kind und frei von Sorgen war.
    Die ersten Vögel erhoben ihre Stimmen, und Tau perlte vom Weinlaub herab. Die kleinen Tropfen hatten die Spinnweben sichtbar gemacht und ließen sie in den zarten Strahlen der Morgensonne glitzern. Als sie sich ein Stück weit von der Burg entfernt hatten, blieb Bella stehen, legte den Kopf in den Nacken und breitete die Arme aus. Die Luft, die sie tief in ihre Lungen sog, war feucht und schmeckte nach grünen Blättern.
    »Na, was sagst du?«, fragte sie Martin, der sie fasziniert betrachtet hatte. »Bist du jetzt immer noch der Meinung, dass es einen vergleichbaren Ort gibt?«
    Er grinste verschmitzt. »Natürlich gibt es vergleichbare Orte. In Pa…« Gerade noch rechtzeitig fiel ihm ein, dass er sich hier auf Feindesland befand und Bella die Tochter des ärgsten Konkurrenten seines Vaters war.
    »In Pa?«, wunderte sich Bella. »Was meinst du damit?«
    »Nichts, mir ist nur so ein Gedanke durch den Kopf

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