Die Rebenprinzessin
einmal heiß und kalt zumute. Langsam drehte sie sich um, und ihr Lächeln erstarb augenblicklich, als sie in das Gesicht ihres Vaters blickte. Auch wenn er sie nicht beobachtet hatte, konnte er ihr aufgrund des nassen Rockes, der Flecken auf dem Mieder und der nassen Haare ansehen, was sie getan hatte.
Etwas unbeholfen zupfte sie sich die Rose aus dem Haar, während sich die Miene ihres Vaters zusehends verfinsterte. Erst jetzt merkte sie, dass Roland von Hohenstein bei ihm war. Auf dem Gesicht des Fürsten lag ein mokantes Lächeln, und ihr entging nicht, dass er sie mit seinem Blick nahezu abtastete. Das war ihr noch weitaus unangenehmer, als es jeder Tadel von ihrem Vater hätte sein können. Doch seltsamerweise sagte der Graf nichts. Nicht aus Rücksichtnahme ihr gegenüber oder weil er vielleicht sogar einverstanden war mit ihrer Tat. Nein, es schien, als würden sich die Worte weigern, seiner Kehle zu entströmen.
»Wenn Ihr verzeiht, Vater, ich werde mich jetzt umziehen und unserem Gast dann Gesellschaft leisten«, sagte Bella schließlich, und da von ihm keine Erwiderung kam, ging sie, ohne Roland von Hohenstein noch eines weiteren Blickes zu würdigen.
Rudolph von Katzenburg blickte ihr kurz hinterher, dann fiel sein Blick nach draußen auf den Maischebottich. Fast schien es, als würde nun auch vor seinem geistigen Auge ein Bild auftauchen, jenes Bild seiner Frau, wie sie selbst zwischen den Mägden stand und die Trauben presste.
Doch Fürst von Hohensteins Stimme wischte diesen kurzen Augenblick hinfort. »Eure Tochter scheint dem Weinbau wirklich sehr zugetan.«
»Das ist sie«, antwortete der Graf ein wenig beklommen. »Wie es auch ihre Mutter war.«
Roland von Hohenstein verzog das Gesicht. »Ich fürchte, die Verpflichtungen als meine Gattin werden ihr künftig verwehren, sich unters Volk zu mischen. Die Frau eines Fürsten von Hohenstein ist schließlich keine Bäuerin.«
Graf von Katzenburg nickte beipflichtend, aber zum ersten Mal überkam ihn ein leichter Zweifel. War das ein Leben für Bella? Auch wenn er es nicht billigte, dass sie sich wie ein ungestümes Füllen aufführte, so hatte doch der Weinbau Tradition in ihrer Familie. Hätte er keinen Gast gehabt, wäre er sicher selbst mit dem Winzermesser in den Weinberg gegangen.
»Ihr werdet sehen, dass meine Tochter auch bei Hofe eine gute Figur machen wird. Sie ist nur noch jung und hat Temperament.«
»Dies mag ja in manchen Belangen von Vorteil sein.« Der Fürst ließ ein schmutziges Lachen hören. »Dennoch werde ich ihr diese Vorliebe für den Pöbel abgewöhnen müssen. Wie viele andere Dinge auch.« Seine Worte ließen keinen Zweifel daran, dass dies mit harter Hand geschehen würde. Das war wohl das Los eines Weibes.
Es wird das Fortbestehen unseres Hauses sichern, ging es Rudolph von Katzenburg durch den Kopf, bevor er seinen Gast bat, ihn nach draußen zu begleiten, um einen ersten Schluck frischen Most zu trinken.
12. K APITEL
Am Abend fanden sich sämtliche Lesehelfer, Keller-und Fassknechte sowie die Meister zusammen, um den erfolgreichen ersten Lesetag zu feiern.
Sie entzündeten ein großes Feuer im Hof unter einem Spieß, und wie es Brauch auf der Katzenburg war, verlegten sie auch die herrschaftliche Tafel nach draußen. Unter einem Baldachin aus grünem und rotem Tuch stellten die Knechte einen langen Tisch auf, den die Mägde mit Weinlaub und Reben schmückten. Ein paar Kandelaber wurden mit Bienenwachskerzen versehen, die Reiter von den Imkern der Gegend geholt hatten. Ein jeder, der bei der Lese mitgeholfen hatte, erhielt einen eigenen zinnernen Becher, während die Bediensteten für die Herrschaft das beste Silbergeschirr hervorholten. Damit sich niemand vergaß und lange Finger bei den Pokalen und Platten machte, standen ein paar Wächter bereit.
Als die Dunkelheit hereinbrach, wimmelte es auf dem Burghof wie in einem Bienenstock, nachdem sämtliche Arbeitsbienen von ihrem Tagwerk heimgekehrt waren.
Nur die Königin fehlt, dachte Bella, während sie das Treiben auf dem Hof betrachtete. Doch die würde nicht mehr lange auf sich warten lassen.
Nachdem ihr Oda gemeldet hatte, dass ihr Vater sie erwartete, verließ sie ihren Platz am Fenster und ging nach unten. Dort wartete der Graf bereits mit Roland von Hohenstein und Hans von Uhlenfels. Das grün-rote Kleid war für sie keine Überraschung mehr, dennoch starrten alle sie an. Als hätten sie eine Erscheinung der Mutter Gottes, bemerkte Bella im Stillen
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