Die Rebenprinzessin
was ich am heutigen Tag bekommen habe. Ich werde sie bei dem morgigen Ritt durch die Dörfer tragen.«
»Sei nicht undankbar, im Weinberg und beim Stampfen der Trauben hattest du gewiss auch dein Vergnügen.«
Bella nickte. »Das stimmt, nur wünschte ich, es wäre Roland von Hohensteins Gesicht gewesen, auf dem ich herumgetrampelt bin.« Sie warf einen Blick über die Schulter, aber jenseits des Feuers konnte sie nur schemenhaft den Baldachin erkennen, unter dem ihr Vater und der Fürst saßen.
»War die Unterhaltung mit ihm denn so furchtbar?«
»Schlimmer noch«, entgegnete Bella und unterdrückte den Wunsch, sich einfach an Martin zu lehnen und seinen Herzschlag zu spüren. »Er hat mir und meinem Vater unterstellt, uns mit unseren Untertanen zu verbrüdern.«
Martin breitete grinsend die Arme aus. »Aber das tust du doch. Ich bin der beste Beweis!«
»Das stimmt wohl«, gestand Bella ein. »Aber im Gegensatz zu Roland von Hohenstein sehe ich darin nichts Schändliches. Meine Zeit im Kloster hat mich gelehrt, dass jeder Mensch vor Gott gleich ist. Die einen werden von ihm zu Herrschern ausersehen, die anderen zu Dienern, aber letztlich sind wir vor dem Herrn alle nur Menschen und damit seine Kinder.«
»Da würden dir bestimmt nicht wenige Adlige widersprechen«, entgegnete Martin und strich mit einer zärtlichen Geste eine Haarsträhne von ihrer Wange.
»Das mag sein, aber ich sehe es so! Warum sollen wir mit den Lesehelfern und Winzergehilfen nicht feiern? Was ist falsch daran, wenn unsere Tafel mitten unter ihnen steht und wir mit ihnen Speis und Trank teilen? Es ist doch nicht so, dass wir nicht genug hätten!«
Martin gab ein beschwichtigendes »Sch« von sich, dann sagte er: »Nichts ist daran verwerflich, Rebenprinzessin. Im Gegenteil, jetzt da du bei mir bist, finde ich dieses Fest außerordentlich gelungen. Und je mehr Leute sich auf dem Platz drängen und fröhlich sind, desto weniger können uns beobachten.« Mit diesen Worten beugte er sich unvermittelt vor und küsste sie.
Die Berührung ihrer Lippen war nur von kurzer Dauer, trotzdem schien sie das Blut in Bellas Adern in einen Strom heißen Gewürzweins zu verwandeln. Sie schloss die Augen, und auf einmal schien alles fernab von ihr zu rücken. Die Stimmen der Feiernden wurden zu einem Wispern, das beginnende Fidelspiel zum Gesang von Vögeln, die weit über ihr auf einem Ast saßen.
Als Martin sich zurückzog, verharrte sie noch einen Moment bei dieser Illusion und spürte, wie der Zorn auf Roland von Hohenstein und auch auf ihren Vater allmählich verebbte.
»Erzähl mir von dem Ritt durch die Dörfer, Prinzessin«, holte Martins Stimme sie wieder in die Gegenwart zurück.
Sie öffnete die Augen, unwillig, den schönen Moment ziehen zu lassen, dann lächelte sie und antwortete: »Wir bringen das, was von dem Fest übrig bleibt, den Menschen in den Dörfern. Vor dem Wagen reiten der Graf, seine Familie und einige ausgewählte Getreue.«
»Leute wie Heinrich Oldenlohe.«
»Ja, er wird auch dabei sein«, entgegnete Bella und wunderte sich, dass der Waffenmeister Martin aufgefallen war. Mit ihm hatte er ja eigentlich nichts zu tun. »Außerdem fürchte ich, dass auch Roland von Hohenstein mitkommen wird. Aber das schreckt mich morgen nicht, denn ich werde an der Stelle meiner Mutter reiten.«
»Als Weinkönigin.«
»Wenn man so will, ja.«
Martin funkelte sie schelmisch an, dann fragte er: »Meine Chancen, ebenfalls daran teilzunehmen, stehen wohl schlecht, oder?«
»Was willst du denn bei dem Ritt?«, fragte Bella zurück.
»Ich könnte das Pferd des Fürsten zum Scheuen bringen«, entgegnete er und erntete ein breites Lächeln.
»So sehr mir diese Vorstellung auch gefällt, werde ich dir davon abraten müssen, meinen Vater zu fragen. Ihm könnte wieder in den Sinn kommen, dass du der Strolch im Weinberg warst, der mich angesprochen hat.«
»Mehr als eine Ohrfeige werde ich mir dabei wohl nicht einfangen können?«
Plötzlich stellte sich Schweigen zwischen sie. Es war, als hätte Martin etwas gesehen, was ihn beunruhigte.
Bella hätte nur zu gern gewusst, was hinter seiner Stirn vor sich ging. Doch ebenso, wie er ihre Gedanken nicht lesen konnte, vermochte sie die seinen nicht in Erfahrung zu bringen.
»Du solltest besser wieder gehen«, sagte Martin, was Bella verwunderte. Sie hätte eine Ewigkeit hier mit ihm stehen können. Warum schickte er sie weg? »Wenn dein Vater hier auftaucht und mich mit dir sieht, wird das Fest
Weitere Kostenlose Bücher