Die Rebenprinzessin
spöttisch, versagte sich aber ein offenes Lächeln und senkte demütig den Kopf.
Glücklicherweise verkniff sich der Fürst seine Komplimente, und auch ihr Vater hatte offenbar nichts auszusetzen. Nachdem sie nun alle versammelt waren, hieß er die Diener, die Pforte zum Hof zu öffnen.
»Findet Ihr es schicklich, gemeinsam mit dem Gesinde zu feiern?«, fragte der Fürst, als sie hinaustraten.
»Was sollte daran unschicklich sein, Euer Gnaden?«, gab der Graf zurück. »Es ist eine lange Tradition unseres Hauses, den ersten Tag der Lese mit einem Fest abzuschließen. Einem Fest, das der Herr zusammen mit seinen Untertanen feiert.«
Immerhin bin auch ich ein Weinbauer, fügte Rudolph von Katzenburg im Stillen hinzu, vertrieb diesen Gedanken allerdings rasch, als er bemerkte, dass die Bemerkung genauso von seiner Tochter hätte kommen können.
Dass Bella sich unter die Lesehelfer begeben hatte, hatte ihm ganz und gar nicht gefallen. Lieber hätte er es gesehen, wenn sie und Roland von Hohenstein sich etwas näher gekommen wären. Aber darauf hoffte er wahrscheinlich vergeblich. Seine Tochter machte keine Anstalten, ihrem Bräutigam näherzukommen. Und dann war da noch dieser Bursche, den er schon mehrmals in ihrer Nähe gesehen hatte. Die Ohrfeige, die er ihm im Weinberg versetzt hatte, war ihm wohl noch nicht genug!
Aber von diesen Gedanken wollte der Graf sich nicht das Fest verderben lassen. Immerhin hatte sich Bella ohne Schimpf und Zwang dazu bewegen lassen, die Kleider zu wechseln. Sie machte zwar eine Miene wie sieben Tage Regenwetter, aber Rudolph von Katzenburg wusste, dass er sie nicht zur Fröhlichkeit zwingen konnte.
Spiel du ruhig den Sauertopf, sagte er sich, während er ihr die Hand reichte, um sie zur Tafel zu führen. In ein paar Wochen bist du die Gemahlin des Fürsten. Dann muss er mit deinen Launen fertig werden.
Nach und nach versammelten sich die Bediensteten, und fröhliches Gelächter hallte von den Burgwänden wider. Jemand schaffte ein Schwein auf einer Schubkarre herbei und steckte es auf den Spieß. Zwischen den Geruch des Feuers und der bräunenden Schweineschwarte mischte sich das Aroma des Weins. Eigens zu diesem Anlass hatte Graf von Katzenburg befohlen, ein paar Fässer des Weins vom Vorjahr anzustechen und ihn ohne Standesunterschiede an alle auszuschenken, die sich zum Feiern auf dem Burghof einfanden.
Diese Gelegenheit ließen sich auch ein paar angereiste Bauern nicht entgehen, und so sah beinahe jedermann einem ausgelassenen Fest entgegen.
Trotz der allgemeinen Fröhlichkeit hielt sich Bellas Freude in Grenzen. Als kleines Mädchen hatte sie das Lesefest geliebt und war mit den anderen Kindern unter Fidelklang um das Feuer herumgetanzt. Doch das war ihr jetzt nicht mehr erlaubt.
Sehnsuchtsvoll blickte sie zu den Kindern hinüber, die ein Stück weit vom Feuer entfernt standen und ihre Tänze schon mal erprobten. In einem dieser Mädchen meinte sie gar sich selbst zu erkennen. Die Kleine hatte zwar kein haselnussfarbenes, sondern dunkelblondes Haar, doch ihre Locken waren ebenso kraus wie ihre eigenen damals, und auch das Kleid wirkte etwas feiner als das der anderen. Zu wem mag sie wohl gehören?, überlegte sie, dann wurde ihr Augenmerk auf etwas anderes gelenkt. Martin saß abseits der anderen Burschen auf einer der Bänke und gab vor, ins Feuer zu schauen. Doch wie Bella erkannte, ging sein Blick in Wirklichkeit am Feuer vorbei und traf direkt ihr Gesicht. Und sie konnte nicht umhin, ihn zu erwidern. Mochten der Fürst von Hohenstein oder ihr Vater es auch bemerken.
Sie betrachtete die Gestalt des Burschen, und eine Welle nie gekannter Gefühle übermannte sie. Sein Haar, sein Gesicht, die Bartstoppeln an seinem Kinn, seine Augen, die im Feuer bernsteinfarben leuchteten, und seine Lippen fügten sich zu einem Bild, das sie in ihr Herz einschließen und nie wieder hergeben wollte.
»Meine Teuerste, ich frage mich, ob es ein so reizendes Geschöpf nötig hat, bei der Weinlese selbst Hand anzulegen«, riss eine Stimme von der Seite sie aus ihrer Betrachtung fort.
Bella wirbelte herum und war froh, dass es dunkel war, sonst hätte Roland von Hohenstein sicher gesehen, dass ihr Gesicht glühte.
»Natürlich, Euer Gnaden, bei der Weinlese mitzuarbeiten ist Tradition in unserem Haus«, antwortete sie und kämpfte innerlich damit, sich ihre Verwirrung nicht anmerken zu lassen. Eigentlich hätte sie dem Fürsten wegen seiner Bemerkung zürnen müssen, aber die Gefühle
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