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Die rechte Hand Gottes

Die rechte Hand Gottes

Titel: Die rechte Hand Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Folco
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stellvertretenden Bürgermeister, ging eine Petition gegen diese Provokation in der Stadt um. Mehr als dreitausendfünfhundert Bürger unterschrieben sie, unter ihnen auch Léon und Hortense Trouvé. Ihr wurde ein Brief auf dem offiziellen Papier des Rathauses beigefügt, in dem Hippolyte aufgefordert wurde, dem Herrenhaus seine alte Farbe wiederzugeben, da es, wie man lesen konnte, »die Landschaft verschandele« und sich wie »ein Furunkel auf der Nase unserer schönen Stadt« erhebe.
     
    Am nächsten Morgen gab Casimir im Rathaus einen Umschlag ab, der eine Abschrift der Charta von 1683 enthielt, die verordnete, daß das Haus des Scharfrichters ebenso wie seine Kleidung »rot wie Ochsenblut« sein mußten. Pibrac hatte seine Schlußfolgerung beigefügt: »Da diese Charta nie außer Kraft gesetzt wurde, entspricht die jetzige Farbe des Herrenhauses genau den Vorschriften.«
    Alphonse Puech entwickelte gerade die Fotos von der Taufe der Tochter des Bankdirektors Duvalier, als die Ladenglocke die Ankunft eines Kunden anzeigte.
    » Ich bin gleich da! « rief er durch die Trennwand.
    Obwohl er vor dreißig Jahren in Bellerocaille geboren worden war, wurde Puech als ein »Einwanderer« angesehen, da seine Eltern aus Requista, einem großen Ort, der näher an Albi als an Rodez lag, stammten. Alphonse Puech war der einzige Fotograf am Ort.
    Er war erstaunt, den alten Henker und seinen unzertrennlichen Knecht mitten in seinem Fotostudio vorzufinden. Es war das erste Mal, daß er sie so aus der Nähe sah. Sie schienen von einer eigentümlichen Aura umgeben.
    »Meine Herren?«
    Er verschluckte gerade noch sein übliches » Ich stehe ganz zu Ihren Diensten«.
    »Herr Fotograf, ich habe gerade mein Herrenhaus in ein Museum umgewandelt. Ich möchte, daß Sie es fotografieren und mir, sagen wir, fünftausend Postkarten davon machen.«
    »Fünftausend!«
    »Zunächst einmal - reicht das nicht?«
    »Ganz im Gegenteil, das ist sehr viel! «
    »Wie lange brauchen Sie dazu?«
    Von den Hunderten von Gerüchten, die seit jeher über die Familie Pibrac kursierten, stimmte mit Sicherheit nur dieses eine: Die Pibracs waren zahlungskräftig.
    » Mindestens hundert Tage, von dem Zeitpunkt ab gerechnet, an dem die Abzüge fertig sind! «
    »Verdammt! Das ist lang. Ich habe bis zum Heiligen Ägidius gedacht.«
    »Ein Monat! Das ist unmöglich, Monsieur Pibrac. Ich muß jede Postkarte von Hand kolorieren. Das ist schwierig und dauert lange, wenn es eine gute Arbeit sein soll.«
    »Ich gebe Ihnen bis zum Johannistag Zeit. Wenn sie das nicht schaffen, dann wende ich mich eben an Ihre Kollegen in Rodez.«
    Alphonse Puech lebte dank der Hochzeiten und Taufen, der Schulabschlußfeier und der Weihnachtskrippe der Kirche Saint-Laurent mehr schlecht als recht von seiner Kunst. Einen solchen Auftrag konnte er sich nicht entgehen lassen. Er nahm an.
    »Sehr gut. Doch merken Sie sich, Monsieur Puech, daß all das unter uns bleiben muß. Sollte dies nicht der Fall sein, so wird mein Knecht kommen und Ihnen in meinem Auftrag die Ohren langziehen. Und dieser Tölpel ist so ungeschickt, daß er sie vielleicht gar abreißen könnte. Meine Verehrung, Herr Künstler.«
     
    Am Johannistag waren nur zweitausendfünfhundert Postkarten fertig. Doch das nahm Hippolyte dem Fotografen nicht weiter übel und gewährte ihm eine angemessene Frist, um den Auftrag zu beenden. Und die Qualität der Arbeit rechtfertigte solche Nachsicht. Puech hatte das Herrenhaus durch das große Steinportal aufgenommen. Die zinnenbewehrten Türme zeichneten sich vor einem Himmel ab, den er kobaltblau koloriert hatte. Vor der Fassade erhob sich auf dem Schafott die Guillotine. Am Fuß der Treppe standen Hippolyte, Saturnin und Casimir, die von einem Ohr bis zum anderen lachten. An diesem Abend erfuhr dank der geschwätzigen Postbotin die ganze Stadt, daß Casimir nicht nur alle verfügbaren Briefmarken gekauft hatte, sondern darüber hinaus noch dreitausend weitere zum Postkartentarif bestellt hatte.
    Am selben Abend klebte Hippolyte im Herrenhaus die erste Briefmarke auf die erste Postkarte.
    »Die steht mit vollem Recht Léon zu. Mit etwas Glück trägt ihm das eine weitere Gelbsucht sein! «
     
    An den blitzenden Augen des Briefträgers und an dem spöttischen Ton, in dem er sagte » Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag, Monsieur Trouvé«, merkte Léon, daß »irgend etwas« in der Luft hing. Er sah schnell die Post durch. Die Postkarte bestürzte ihn.
    »Aber nein, mein guter

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