Die rechte Hand Gottes
in vier Postkutschen, die sie im Mietstall Cabrel in Rodez gemietet hatten. Während sich die Frauen und Kinder in die Kirche Saint-Laurent begaben, um dem Herrn dafür zu danken, daß sie trotz der grauenhaften Straßen heil und gesund angekommen waren, gingen die Männer in die Gaststube des »Croquenbouche«, um dort eine Erfrischung zu sich zu nehmen.
»Was soll das?« fragten sich die Stammgäste angesichts dieser Welle von Greisen (der jüngste war fünfundsechzig Jahre alt), die alle dunkel gekleidet waren und von denen etwas eigenartig Bedrückendes ausging. Als er die Bestellung aufnahm, sah der Kellner, daß einige von ihnen bewaffnet waren. Er informierte den Wirt, der sich sogleich auf den Weg zur Gendarmerie machte.
»Sind Sie sicher, daß sie bewaffnet sind?« wunderte sich der Kommandant Calmejane.
»Ja, und sie versuchen nicht einmal, es zu verbergen. Und das Merkwürdigste, Kommandant, ist die Tatsache, daß sie alle über sechzig sind ... «
Der Kommandant nahm zwei Männer und begab sich zum »Croquenbouche«. Auf dem Weg sah er vor der Station die Postkutsche aus Rodez, aus der drei Unbekannte ausstiegen, die irgendwie verdächtig wirkten und nach der alten Mode gekleidet waren. Der jüngste war sicherlich achtzig Jahre alt und trug ganz offen eine Lagrese mit verziertem Kolben. Jetzt war es klar, hier ging irgend etwas vor, was nicht normal war, und er mußte schnellstens herausfinden, was los war. Calmejane ging auf die drei Alten zu, die das Abladen ihres Gepäcks überwachten, und verlangte ihre Waffen.
»Ma doué ! Und mit welchem Recht?« entrüstete sich einer von ihnen mit einem starken bretonischen Akzent.
»Weil es verboten ist, Waffen zu tragen, wenn man keine ausdrückliche Genehmigung dazu hat.«
»Warum fragen Sie uns dann nicht zuerst, ob wir nicht eine haben?« antwortete Cyprien Gloannec, der ehemalige Scharfrichter von Brest, kurzangebunden. Er und seine Knechte hatten eine lange, anstrengende Reise hinter sich.
Der Kommandant untersuchte ihre Waffenscheine, las als Beruf »Rentner« und gab sie ihnen schließlich zurück.
»Wir sind nicht daran gewöhnt in unserer kleinen Stadt bewaffnete Männer zu sehen.«
» Haha, und der Siebte? Erzählen Sie mir bloß nicht, daß er ohne seine Lefaucheux ausgeht! «
»Sie kennen Hippolyte Pibrac?«
» Ich wüßte nicht, was wir sonst in diesem Nest zu suchen hätten.«
»Weiß er, daß Sie kommen?«
»Natürlich, er hat uns ja schließlich eingeladen.«
Das Gesicht des Bretonen wirkte plötzlich besorgt:
» Sagen Sie nur nicht, daß wir die einzigen sind, die die Reise unternommen haben!«
»Aha, wenn man vom Teufel spricht - da ist er ja«, sagte der Bretone. » Neben ihm, das ist Casimir Plagnes, der Sohn von Félix, und der Junge in der Mitte ist der Achte, der, der auf der Postkarte abgebildet war.«
Der rot-schwarze Landauer, in dessen Türen das Familienwappen eingelassen war, kam auf sie zu. Da erinnerte sich Calmejane an die Postkarte, die er zwei Monate zuvor bekommen hatte. Das »Richtfest« fand also statt! Und wieder einmal hatte die Stadt ihren alten Henker unterschätzt, wenn es darum ging, sie in Schwierigkeiten zu bringen.
»Ich kenne mehr als einen, der dieses Fest verabscheuen wird«, sagte er sich und dachte dabei an Léon.
Der stand in seinem Laden, als mehrere alte Herren eintraten, um sich nach dem Weg zum Herrensitz Trouvé-Pibrac zu erkundigen.
»Wir haben den Namen an Ihrer Fassade gesehen «, erklärten sie. »Gehören Sie zur Familie?«
»Und warum wollen Sie zum Herrensitz?«
»Wegen der Eröffnung des Museums. Wenn Sie zur Familie gehören, sollten Sie ja Bescheid wissen.«
Léon schickte sie auf die Straße nach Saint-Flour, die genau in die entgegengesetzte Richtung der Kreuzung des jüngsten Gerichts führte. Nachdem sie verschwunden waren, stieg er auf eine Leiter und hängte das Ladenschild Bäckerei-Konditorei Léon Trouvé ab.
Als Hippolyte, Casimir und Saturnin in Begleitung der drei Bretonen den Schankraum des »Croquenbouche« betraten, brach ein freudiger Tumult unter den schon versammelten Scharfrichtern aus. Man drängte sich, um ihnen die Hände zu schütteln, sie zu umarmen oder ihnen auf die Schulter zu klopfen.
Die Stammgäste, die im hinteren Teil des Raumes saßen, versuchten zu verstehen, was hier vor sich ging.
»Diese Alten sind doch wohl nicht alle Henker?«
»Hört nur zu, sie haben alle einen anderen Akzent.«
»Das stimmt. Und wer außer einem Henker würde
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