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Die rechte Hand Gottes

Die rechte Hand Gottes

Titel: Die rechte Hand Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Folco
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ich dir.«
    Das Schluchzen des Jungen wurde immer heftiger. Hippolyte runzelte die Stirn.
    »Was machst du überhaupt hier, du wischst den Boden wie ein Pferdeknecht. Hat man dich bestraft? Hast du eine Dummheit gemacht? Sag nur nicht, daß deine nichtbestandene Prüfung der Grund ist! «
    » Ich bin nicht durchgefallen, Großvater, ich war gar nicht da! «
    Jetzt konnte Saturnin nicht umhin, alles zu erzählen. Je länger er erzählte, desto aufgebrachter wurde sein Großvater.
    »Das haben sie gewagt!!! Hol deine Sachen und steig in den Landauer. Er steht vor dem Laden.«
    »Alle Sachen?«
    »Alle. Du wohnst ab jetzt im Herrenhaus! «
    Strahlend eilte Saturnin die Treppe hinauf, während Hippolyte in das Hinterzimmer zurückging, wo Hortense leise mit ihrer Mutter sprach. Die Mädchen und die Magd bedienten im Laden.
    »Wo ist Léon?" fragte er in eisigem Ton.
    »In der Mühle«, antwortete seine Schwiegertochter.
    Hippolyte baute sich vor ihr auf, ohne einen Ton zu sagen. In dem Zimmer herrschte ein drückendes Schweigen. Die alte Bouzouc versuchte Haltung zu bewahren, indem sie sich wieder ans Ausnehmen des Hasen machte. Hinter ihr, auf dem Küchenbuffet aus dem Warenhaus Nouvelles Galeries, beobachtete Princesse die Vorgänge aufmerksam.
    »Können Sie mir bitte erklären, warum Saturnin in der Backstube mit dem Wischlappen rumspielt, statt seine Prüfung abzulegen?« stieß Hippolyte schließlich mit einer Stimme hervor, die sogleich Casimir alarmierte.
    Er erschien mit wachsamem Blick im Hinterzimmer, jederzeit bereit, einzugreifen. Die Witwe Bouzouc legte ihr Messer nieder und bekreuzigte sich erneut. Die Anwesenheit des Henkers unter ihrem Dach war für sie schlimmer als eine Verbrennung mit siedendem Öl. Als Kind hatte ihre Mutter ihr damit gedroht, sie vor dem Herrenhaus an der Kreuzung des jüngsten Gerichts auszusetzen, dessen Bewohner allgemein dafür bekannt waren, daß sie ungehorsame Kinder bei lebendigem Leib auffraßen.
     
    »Wie meinen Sie das? Ich verstehe Sie nicht. Warum schreien Sie so?« wandte Hortense ein, doch ihre Stimme klang nicht sehr überzeugend.
    Hippolyte ging einen Schritt auf sie zu. Hortense wich zurück und stieß sich an dem Küchenbuffet.
    »Wie haben Sie es wagen können, Saturnin zu zwingen, die Schule zu verlassen?«
    »Aber das war er ... er hat es selbst gewollt. Um sich um seinen Hund kümmern zu können. Sie brauchen ihn ja nur zu fragen! «
    An den nur ihm bekannten Anzeichen (der Rücken spannte sich plötzlich, er kniff die Augen eigenartig zusammen und die Unterlippe zitterte leicht) erkannte Casimir, daß es an der Zeit war, einzugreifen. Er legte die Hand beruhigend auf die Schulter seines Herren und flüsterte ihm zu:
    »Es lohnt sich nicht, gehen wir. Saturnin sitzt schon im Landauer.«
     
    Viel später, als sie wieder zusammenhängend sprechen konnte, versicherte die Witwe Bouzouc, daß nur ein Ungeheuer oder der Teufel so behende hätte handeln können.
    Mit einer Geschwindigkeit, die an die Zunge eines Chamäleons erinnerte, die eine Fliege fing, hatte Hippolyte den linken Arm ausgestreckt und Princesse am Hals gepackt. Gleichzeitig hatte er sich mit der rechten Hand des Messers der Alten bemächtigt. Dann hatte er die Katze mit dem Messer an die Tür zur Backstube geschlagen und dabei mit unkenntlicher Stimme gemurmelt:
    »Eloim, Essaim, frugativi et appelavi! Bei Luzifer und Beelzebub, die mir nichts abschlagen können, verdamme ich euch, euch, die Bouzoucs, bis ins Grab und darüber hinaus! «
    Nachdem er das gesagt hatte, drehte er sich auf dem Absatz um und leckte, recht zufrieden mit der grauenvollen Wirkung, die er hinterließ, das Blut von seiner Hand, die das arme Tier aufgekratzt hatte.
     
    Der Menschenauflauf vor seinem Laden verhieß Léon nichts Gutes.
    Er mußte sich einen Weg durch die Menge bahnen, um in sein Haus zu gelangen. Die mitleidigen Blicke, die man ihm zuwarf, waren ihm unangenehm. Drinnen herrschte allgemeiner Aufruhr. Seine Schwiegermutter lag im Bett und stotterte immer wieder in ihrem Dialekt: »Das ist nicht menschlich! Boudiou, Boudiou! Mein Gott! Das ist wirklich nicht mehr menschlich! «
    Hortense, die an ihrem Bett saß und ihr kalte Kompressen auf die Stirn legte, stand auf, als sie ihn sah, und herrschte ihn an:
    »Ah, das ist wieder einmal deine Familie! Dein verrückter Vater war gerade hier, er ist gekommen, um uns in unserem eigenen Haus zu verwünschen! Sieh dir nur an, in welchem Zustand Mama ist.«
    »Und warum

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