Die rechte Hand Gottes
könnten auch Postkarten vom Herrenhaus machen lassen«, schlug der Junge vor.
»Das ist eine sehr gute Idee.«
Casimir zeigte Vorbehalte.
»Das ist vielleicht für den Anfang eine recht große Ausgabe. Es kommen noch nicht einmal hundert Touristen im Jahr nach Bellerocaille.«
» Ich weiß, aber wir werden ein Museum eröffnen, um das Herrenhaus zu schützen, und nicht, um damit reich zu werden. Damit es uns überdauert, muß es von allgemeinem Interesse sein. Schließlich ist seine Geschichte, ebenso wie die unsere, mit der der Jusitz verbunden. Unser Museum wird hervorragend die verborgenste Seite der Gesellschaft zeigen.«
Da Léon nach der traurigen Geschichte mit der erdolchten Princesse keinen Fuß mehr ins Herrenhaus setzte und seine Bewohner auch nicht mehr mit Brot belieferte, brach die letzte Verbindung ab.
Später, als Parfait erzählte, daß Saturnin seine Nachprüfung ausgezeichnet bestanden habe, freute er sich insgeheim. Parfait war durchgefallen. Manchmal mußte Léon sich widerwillig eingestehen, daß der Junge ihm fehlte. Das lag vielleicht auch an der unglaublichen Dummheit seines neuen Bäckerlehrlings. Obwohl Saturnin keine Begeisterung für das Handwerk empfand, hatte er sich doch als geschickt, methodisch und gewissenhaft erwiesen. Die Ablehnung, das Herrenhaus in das Gesamtverzeichnis der Kunstschätze Frankreichs aufzunehmen, war eine große Befriedigung. Léon glaubte sogar, den Krieg gewonnen zu haben: jetzt brauchte er nur noch den Tod des Alten abzuwarten, und dann, adieu, Herrenhaus!
Die Befriedigung war allerdings nur von kurzer Dauer. Eines Tages, als er zur Mühle fuhr und einen Umweg über die Kreuzung des jüngsten Gerichts machte, sah er voller Unruhe Baugerüste an den Türmen und Arbeiter, die die Zinnen ausbesserten. Andere kratzten die Tradeskantien von den Befestigungsmauern. Wieder andere pfiffen ein fröhliches Lied, während sie die Farbe von den Partisanen kratzten.
Der Winter 1906 war milde und verging ohne nennenswerte Zwischenfälle. Erst im Frühjahr, als die Blumen auf den Feldern und die Pickel auf den Wangen der Jünglinge zu sprießen begannen, bemerkte man, daß der Wald Vergogne von diesem alljährlich wiederkehrenden Wunder ausgeschlossen blieb. Kein Zweig wurde grün, und, o Grauen, das Herrenhaus bot sich jetzt offen allen Blicken dar. Man war erschrocken, man begab sich an Ort und Stelle und entdeckte dort das ganze Ausmaß der Katastrophe: Alle Bäume des Wäldchens waren von der Wurzel an abgestorben. Angesichts eines solch unverhofften Glücksfalls, verwandelten die Holzsammler sie mit der Geschwindigkeit eines ausgehungerten Termitenhügels in Reisigbündel.
Eine genauere Untersuchung führte zu dem Ergebnis, daß am unteren Teil jedes Stammes bis auf eine Höhe von einem Meter die Rinde entfernt worden war. Man hatte den Wald von Vergogne im wahrsten Sinne des Wortes abgeschlachtet.
»Die Täter haben sich einer Vorgehensweise bedient, die im Mittelalter angewendet wurde, um ein Waldstück zu bepflanzen, ohne die Baumwurzeln ausgraben zu müssen«, erklärte der Dorfschullehrer. »Man tötete die Bäume, indem man ihnen auf diese Art die Rinde abzog. Die Blätter fielen ab, und die Bäume schlugen nicht mehr aus. So erreichte die Sonne den Boden, den man inzwischen bepflanzt hatte.«
Barthelémy Boutefeux, der Bürgermeister, ordnete eine Untersuchung an. Der Kommandant Calmejane nahm einige Holzsammler fest, die er aber mangels Beweisen wieder freilassen mußte. Die Gemeinde ließ an allen vier Ecken des Waldes Schilder anbringen, die das Holzschlagen unter Strafandrohung verboten, doch die Schilder verschwanden schon in der darauffolgenden Nacht wieder. Wenn auch niemand wagte, ihn offen anzuschuldigen, war der Name Pibrac doch in aller Munde, selbst wenn die Beweggründe recht unklar schienen. Die Gemeinde ließ keine neuen Schilder aufstellen. Die Holzsammler nahmen ihre Arbeit wieder auf, und an Allerheiligen war der Wald Vergogne praktisch verschwunden. Jetzt sah man von Bellerocaille - und zwar von der Oberstadt ebenso wie von der Unterstadt - aus deutlich den Dolmen und das Herrenhaus. Zu diesem Zeitpunkt ließ Hippolyte das Haus und die Türme rot anstreichen und die Partisanen mit Blattgold überziehen. Mehr als dreihundert davon hatte der Zweite seinerzeit von der Miliz, die sie ausgewechselt hatte, gekauft.
Diese Neuerungen wirkten auf die ehrbaren Bürger wie ein rotes Tuch auf den Stier. Auf Anregung von Guy Calzins, dem
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