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Die rechte Hand Gottes

Die rechte Hand Gottes

Titel: Die rechte Hand Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Folco
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er in eine Spalte und brach sich bei dem Sturz beide Beine. Seine Schreie alarmierten seine junge Schwester, die loslief, um Hilfe zu holen.
    Als man ihn aus der Spalte herauszog, entdeckte einer der Retter, ein Kesselschmied, an den Wänden die erste der Silberadern, die Bellerocaille und vor allen Dingen seinen Lehnsherrn reich machen sollten.
    Über das Schicksal des Zickleins ist nichts bekannt.
     
     
    2
     
    Bellerocaille, August 1683
     
     
    An Saint-Fiacre, vierzehn Tage nachdem er seine abscheuliche Tat begangen hatte, war Pierre Galine noch immer nicht hingerichtet worden, weil kein Henker zu finden war. Der Baron versammelte erneut seinen Rat im Großen Saal. Alle wirkten hilflos.
    Der Prévôt Henri de Foulques war äußerst besorgt. Die Bevölkerung von Bellerocaille hatte sich seit der Bekanntmachung des Urteils praktisch verdoppelt, und dieser ungewohnte Zustrom von Besuchern hatte alles, was sich in der Provinz an Gesindel, Halsabschneidern, Mantel- und Taschendieben herumtrieb, angezogen.
    »Meine Männer sind überlastet, edler Baron, und so möchte ich Euch untertänigst ersuchen, mir zur Verstärkung Eure Wehr zu überlassen.«
    Die Prätorianergarde des Barons bestand aus drei Zenturien zu je fünfzig Mann (ein Relikt aus der alten Aufteilung in Läufer, Plünderer und Brandschatzer). Eine dieser Zenturien bewachte ständig die Burg, die beiden anderen bestanden aus Freiwilligen, die kamen, sobald die Sturmglocke ertönte, und sie waren verpflichtet, einmal im Monat eine Übung abzuhalten. Als Gegenleistung befreite der Baron sie vom Brückenzoll und der Mühlenabgabe.
     
    Die Ankunft eines Amtsdieners, der meldete, daß Kerkermeister Bertrand Beaulouis um eine Unterredung bitte, sorgte für Abwechslung.
     
    Der Schließer trat ein, zog den Hut, verneigte sich vor dem Baron und sagte: »Einer meiner Gefangenen meldet sich freiwillig, das Amt des Henkers zu übernehmen.«
    Trubel brach aus im Großen Saal. Alle redeten durcheinander.
    »Wer ist dieser Mann?«
    »Er heißt Justinien Pibrac, edler Baron. Er ist ein übler Halunke, den Eure Gerichtsbarkeit zu zwanzig Jahren auf der Galeere verurteilt hat. Er soll mit der Kette auf die Saint Michel geschickt werden.«
    »Ausgezeichnet, ganz ausgezeichnet! Schafft ihn uns her, Maître Beaulouis!«
    Der Kerkermeister nickte, rührte sich jedoch nicht von der Stelle. »Nun, er meldet sich zwar freiwillig, aber nur unter einer Bedingung ... Oh, eine Bedingung, die berechtigt scheint, edler Baron«, beeilte er sich hinzuzufügen, als er bemerkte, wie sich der Blick seines Herrn verfinsterte. »Er möchte begnadigt werden.«
     
    Die Gesichtszüge des Barons entspannten sich. Er hatte mit Schlimmerem gerechnet. Er sah mit fragendem Blick zu Richter Cressayet hinüber, der zustimmend mit dem Kopf nickte. Ja, das Gesetz billigte diese Art von Handel. Cressayet erinnerte sich sogar daran, daß der Gerichtshof zu Bordeaux vor sechs oder sieben Jahren ein Urteil in diesem Sinne gefällt hatte.
    »Darauf hättet Ihr auch etwas früher kommen können!« knurrte der Baron, leicht verstimmt, daß er nicht selbst daran gedacht hatte. » Nun, dann schafft uns also diesen Spitzbuben herbei! «
    »Zu Diensten, edler Baron«, sagte Maître Beaulouis heiter.
     
    Da das Königreich von kriminellen Elementen befallen war wie von einer Art Aussatz, kannten die Richter nur ein einziges Heilmittel - Entfernen der verseuchten Teile durch eine Verurteilung zum Tode oder zu einer Galeerenstrafe. Der Kerker war keine Bestrafung an sich, sondern lediglich ein Ort, an dem die Beschuldigten vorübergehend so lange festgehalten wurden, bis es zum Prozeß kam. Erst dann wurde das eigentliche Urteil vollstreckt.
    Wie schon zuvor sein Vater, sein Großvater, sein Urgroßvater und dessen Vater übte Bertrand Beaulouis das Amt des Kerkermeisters aus, und er verwaltete sein Gefängnis wie eine Herberge. jeder Häftling wurde entsprechend des Gewichtes seiner Geldbörse behandelt. Diejenigen, die volle Taschen hatten, logierten in den komfortablen Zellen des Eckturms. Sie bekamen fünf Mahlzeiten täglich und auf Wunsch soviel Wein und Tabak, wie sie wollten. ja sogar Metzen. Diejenigen, deren Taschen leer waren und die nichts hatten als den Sol des Königs - den gestand ihnen der Prévôt zu, damit sie nicht Hungers starben -, sie vegetierten im Halbdunkel des unterirdischen Verlieses vor sich hin, das man unterhalb des Turmes gegraben hatte.
    Wenn es an Kostgängern mangelte, war

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