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Die rechte Hand Gottes

Die rechte Hand Gottes

Titel: Die rechte Hand Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Folco
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will ja keiner glauben!«
    »Das wird der Richter klären. Und wenn du kein Geld hast, mußt du eben solange hier unten bleiben.«
    Justinien mußte sich vor dem Amboß hinknien und die
    Söhne des Kerkermeisters machten sich daran, ihn in Ketten zu legen. Sie fingen am Hals an, um den sie ein breites Eisenband legten. Er mußte seine Wange gegen den Amboß lehnen und schloß die Augen, als Bredin den Schäkel mit dem Hammer in das Eisenhalsband hineintrieb, um es mit einer Kette zu verschließen, die er wiederum an einem Ring in der Mauer befestigte. Das gleiche machten sie mit seinen Knöcheln. Lediglich die Ketten, die seine Handgelenke umschlossen, wurden nicht an der Wand festgemacht.
    Baldo und Vitou kletterten, mit dem Amboß und den nicht benötigten Ketten beladen, wieder die Leiter hinauf, gefolgt von Beaulouis' Söhnen. Ihr Vater verließ als letzter das Verlies.
    »Und vergiß nicht, was ich dir schon im Hof gesagt habe! Du wirst bis übermorgen fasten müssen. Und wenn du noch so Hunger hast, es ist völlig zwecklos, um etwas zu essen zu bitten. Gesagt ist gesagt.«
    Justinien sah, wie er die Leiter hinaufstieg und verschwand. Die Leiter wurde hochgezogen, die Falltür heruntergeklappt. Er hörte, wie der Bretterboden unter dem Gewicht der Männer knarrte. Das hämische Lachen Baldos drehte ihm den Magen um, denn er war sich sicher, daß er über ihn lachte. »Bei der erstbesten Gelegenheit bringe ich ihn um«, sagte er sich, ohne allzusehr daran zu glauben. Er lehnte sich mit dem Rücken gegen die Mauer, zog die Knie an und verbarg sein Gesicht in den Händen, um zu weinen, doch recht schnell drang die Feuchtigkeit, die die Sandsteinmauer absonderte, durch den schlechten Stoff seines Hemdes. Er fing an, am Rücken zu frieren und änderte seine Stellung. Die geringste seiner Bewegungen verursachte ein nervtötendes, metallisches Klirren. Er schniefte noch ein paarmal und hörte dann auf zu weinen. Als seine Augen sich an das Halbdunkel gewöhnt hatten, stellte er fest, daß sein Strohballen vor Ungeziefer nur so wimmelte.
     
    Das Rasseln anderer Ketten erinnerte ihn daran, daß er nicht allein war. Der Leidensgefährte, der ihm am nächsten saß und ungefähr anderthalb Klafter entfernt angekettet  war, war Eustache, der Ochsenhirt, dessen Hund man getötet hatte. Er beäugte äußerst mißtrauisch Justiniens Holznase.
    »Glaubst du, er ist ein Aussätziger?« erkundigte sich sein Nachbar - Apronien, der Pfuscher und Prasser - besorgt.
    » Nein, ich bin kein Aussätziger, das war ein Unfall, das ist alles.«
    »Zeig her!« verlangte Eustache.
    Mit einem langen und resignierten Seufzer knotete Justinien zum x-ten Mal die Bänder seiner falschen Nase auf, wobei ihn die Ketten behinderten.
    Seine Nachbarn, die nun beruhigt waren, wurden freundlicher.
    »Was hast du denn getan, daß du hier bist«
    » Um genau zu sein, ich habe gar nichts getan. Mir hat man etwas getan! Es sind diese verfluchten Gaukler gewesen. Als ich schlief, haben sie mich ausgeraubt. Das war in Racleterre, und ich bin ihnen bis hierher gefolgt. Ich hatte sie gerade wiedergefunden, als die Wachen kamen und uns alle mitnahmen. Aber kein Mensch will mir glauben.«
     
    Er rutschte auf dem fauligen Stroh hin und her. Seine Ketten klirrten. Warum hatte er es bloß so eilig gehabt und sich auf die beiden gestürzt, wo es doch einfacher (und auch klüger) gewesen wäre, die Nacht abzuwarten, um sich in ihr Lager zu schleichen, sie im Schlaf niederzuschlagen und sich in aller Ruhe seine Sachen zurückzuholen? Vielleicht wäre Mouchette ja sogar mit ihm gekommen. Er sah ihr Gesicht vor sich und biß die Zähne zusammen. Plötzlich schrie er auf: eine Ratte hatte ihn gerade in einen Zeh gebissen. Wütend versuchte er ihr mit einem Fausthieb das Rückgrat zu zerschmettern, doch wieder behinderten ihn seine Ketten. Das Tier nahm Reißaus und blieb vier Fuß von ihm entfernt stehen, so als ob es genau wüßte, daß seine Ketten nur dreieinhalb Fuß maßen.
    Justinien zog sich eine seiner Sandalen aus und schmiß sie nach der Ratte, verfehlte sie aber. Nun lag der Schuh außerhalb seiner Reichweite, und er würde warten müssen, bis
     
    einer der Kerkermeister herunterkam, wenn er ihn wiederhaben wollte.
    Das Nagetier steuerte auf das Wurfgeschoß zu und fing an, an dem Leder herumzuknabbern, wobei es zufrieden quiekte. Schon bald gesellten sich noch andere Ratten dazu, die anscheinend zur Familie gehörten. Sie halfen ihr, die Sandale in Fetzen

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