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Die rechte Hand Gottes

Die rechte Hand Gottes

Titel: Die rechte Hand Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Folco
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einer Leiter und einer Kiste voller Kettenschäkel stand ein Amboß, auf dem ein Hammer und eine Zange lagen. Daneben befanden sich ein Faß mit Pech und ungefähr zwanzig zu einem Stapel geschichtete Holznäpfe. In der Mitte des Bodens war eine Falltür, in die ein großer Ring eingelassen war. Diese Tür führte zum eigentlichen Kerker, einem düsteren Raum, der mit einer der Höhlen verbunden war, die an vielen Stellen das Felsgestein des Berggipfels durchzogen.
     
    Bredin packte den Ring, hob die Falltür an und ließ die Leiter ins Innere hinab. Ein durchdringender und ekelerregender Gestank schnürte den Gefangenen die Kehle zu. In was für eine Kloake würde man sie sperren? Beaulouis ging als erster, ihm folgte der besagte Baldomer (seine Freunde nannten ihn Baldo). Bredin hatte ihm den Amboß aufgeladen, während Justinien und Vitou sich die Last der Ketten und Schäkel teilten, mit denen sie angekettet werden sollten.
    Das, was sie am Fuße der Leiter erwartete, war weitaus schlimmer, als sie befürchtet hatten. Der weitläufige, große Kerker war so feucht, daß sich dort, wo sich die Höhle befand, Stalaktiken gebildet hatten und auf den gestampften Lehmboden herabtropften, der an diesen Stellen nur noch kalter, schmieriger Schlamm war. Die andere Seite, die ungefähr in Höhe des Burggrabens ausgehoben worden war, war kaum besser. Die verbrauchte Luft erneuerte sich mehr schlecht als recht durch die winzige Luke, durch die nur spärlich Licht drang. Es stank nach Moder, Pisse und Kot.
    An Händen, Füßen und Hals angekettet, kauerten vier Männer auf Strohballen, die sich im Laufe der Zeit in schwarzen, übelriechenden Mist verwandelt hatten. Es waren ein Ochsenhirt, der sich gegen seinen Herrn aufgelehnt hatte, nachdem dieser seinen Hund getötet hatte, weil der ihm einen Klumpen Butter weggeschleckt hatte; ein Saisonarbeiter ohne Anstellung, der festgenommen worden war, als er Äpfel von einem Baum der Gemeinde stahl; ein Pfuscher (einer dieser Maurer vom Land, die mit Erde und Schlamm bauen), der in Saus und Braus lebte, hatte sich, nachdem er sich in der Rue des Branlotins hatte vollaufen lassen, mit der Wache angelegt und dabei den kürzeren gezogen. Der Vierte war ein Ausländer, der wegen Vagabundierens eingesperrt worden war und nichts getan hatte; da niemand seinen Dialekt verstand, hatte man ihm eine lebenslange Galeerenstrafe aufgebrummt, während die drei anderen nur zehn Jahre durchstehen mußten. Seit ihrer Gerichtsverhandlung warteten sie darauf, daß die Kette des berüchtigten Hauptmanns Cabrel vorbeikam.
    Baldo, der durch diesen trübseligen Anblick sehr bekümmert war, fiel plötzlich ein, daß er über einige Ersparnisse verfügte, es war gewiß nicht viel, aber bestimmt genug, um an einem andern Ort zu logieren. Beaulouis lächelte seinen Söhnen verständnisvoll zu. Es war nicht das erste Mal, daß er einen derartig plötzlichen Sinneswandel beobachten konnte. Einige machten sich übrigens nicht einmal die Mühe, die Leiter hinunterzusteigen, um sich an ihre Ersparnisse zu erinnern: der Geruch, der durch die Falltür zu ihnen hochstieg, genügte ihnen schon.
    »Die Zellen oben kosten zehn Sols pro Person und Tag. Die Mahlzeiten werden selbstverständlich extra berechnet.«
    »Donnerwetter! Zehn Sols, das ist teuer«, versuchte sich der Troubadour und Seiltänzer herauszureden (seine Nummer bestand darin, daß er epische Gedichte sang, zu denen er sich selbst auf der Harfe begleitete, während er auf einem Seil, das zwischen zwei Bäumen gespannt war, balancierte).
    Beaulouis streckte ihm die offene Hand entgegen.
    »Das macht zehn Sols, und es wird im voraus bezahlt.«
    Baldo kramte angestrengt in seinen Taschen und förderte einen Silbertaler zutage, der drei Livres wert war. Er gab ihn widerwillig her.
    »Ich bezahle für ihn mit«, sagte er und deutete dabei auf Vitou, »aber nicht für den«, fügte er hinzu und zeigte mit dem Finger auf seinen Komplizen mit der hölzernen Nase, der daraufhin die Beherrschung verlor.
    » Du Dieb! Und die Taler, die ihr mir gestohlen habt? Und mein Messer? Und meinen Beutel? Ihr habt mir alles genommen, sogar meine Nase! Und das, das habt ihr aus purer Bosheit getan.«
    »Hör mit dem Gezeter auf!« fuhr ihn Beaulouis ruppig an. »Kannst du zahlen oder nicht?«
    »Wenn ich Euch doch sage, daß sie mir alles gestohlen haben! Der Taler, den er Euch gerade gegeben hat, ist einer von meinen. Ich bin nicht ihr Komplize, ich bin ihr Opfer, aber mir

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