Die rechte Hand Gottes
war, vorlieb nehmen. Unter den belustigten Blicken seiner Gastgeber und ihrer Kinderschar, bohrte er gerade das erste Nasenloch hinein, als der Hauptmann der Miliz wieder erschien. Er wurde von einem Amtsdiener der Prévôté begleitet, der sich seine Geschichte anhören und eine Beschreibung der Straßenräuber haben wollte.
»Es waren Gaukler. Sie schliefen, als ich kam, und ich schlief, als sie mich bewußtlos schlugen.«
Der Amtsdiener, den diese Antwort nicht sonderlich zufriedenstellte, machte ein mißtrauisches Gesicht.
»Wie heißt du? Woher kommst du?«
Justinien unterbrach seine Tätigkeit und aus einer plötzlichen Eingebung heraus log er:
»Ich heiße Justinien Pibrac, und ich komme aus Clermont.«
Er erzählte noch einmal seine Geschichte: er sei ein Pilger und auf dem Weg nach Rocamadour.
»Wer sind deine Eltern?«
Justinien senkte den Kopf, um zu antworten:
»Ich bin ein Findelkind. Ich wuchs bei den Mönchen in Saint-Vincent auf.«
Der Amtsdiener ging, und Justinien konnte in aller Ruhe seine Nase aus Tannenholz fertigmachen.
Nachdem er sich herzlich bei den Tricotins dafür bedankt
hatte, daß sie ihn bei sich aufgenommen hatten, verließ er Racleterre zur Nona. Er hatte es eilig, seine Angreifer einzuholen und sich sein Geld, seine Kleider und sein Messer zurückzuholen.
Da er es nicht gewöhnt war, barfuß zu laufen, hatte er sich schon bald die Füße auf dem steinigen Weg wund gelaufen und mußte öfter Rast machen.
Er ging durch einen Wald, als ein streunender Hund ihn heftig attackierte. Er hatte große Angst, aber es gelang ihm, ihn zurückzudrängen, indem er ihm mit einem schweren Stein auf die Nase traf. Nach diesem Erlebnis suchte er sich einen Ast, von dem er gründlich alle Zweige entfernte, um sich einen Knüppel daraus zu machen.
Er verbrachte die Nacht bei den Zisterziensern des Klosters von Maneval. Es rührte sie, als er ihnen von seinen Mißgeschicken berichtete und seine sehr guten Lateinkenntnisse bei der Komplet, dem Abendgebet, offensichtlich wurden (er behauptete, er habe Latein bei den Mönchen in Clermont gelernt). Am nächsten Tag schenkten sie ihm ein Paar lederne Sandalen, einen Laib Brot und einen Schafskäse, der so hart war wie seine Nase.
Als er durch Tras-la-Carrigue kam, sah er eine kleine Gruppe von Leuten auf dem Marktplatz des Ortes zusammenstehen, die sich lebhaft unterhielten. Justinien ging auf sie zu, grüßte höflich und erkundigte sich, ob sie eine Gauklertruppe in einem Planwagen, der von einem Ochsen gezogen wurde, hätten vorbeikommen sehen. Sie packten ihn an Armen und Beinen und schleppten ihn, trotz seines lautstarken Protestes, zur Prévôté. Man drohte ihm an, ihn den Folterknechten zu übergeben, wenn er nicht das Versteck seiner Komplizen preisgäbe. So erfuhr er, daß die Truppe am Tag zuvor hier am Ort eine Vorstellung gegeben hatte und seitdem mehrere Diebstähle gemeldet worden waren.
»Ich gehöre nicht zu ihnen, ich bin selbst eines ihrer Opfer. Sie haben mich bewußtlos geschlagen und, weil sie mich für tot hielten, vor den Mauern von Racleterre liegenlassen! Ohne die Hilfe eines Schmieds und der guten Mönche von Maneval wäre ich noch immer nackt und bloß wie mein Handrücken. Wenn ich mich bei Euch nach ihnen erkundigt habe, dann nur, weil ich sie wiederfinden und meine Sachen zurückhaben will. Wenn ich wüßte, wo sie sich versteckten, wäre ich nicht gekommen, um Euch zu fragen.«
Er erzählte wieder die Geschichte, daß er, Pibrac, ein Pilger auf dem Weg zur Schwarzen Madonna von Rocamadour sei, bei Mönchen aufgewachsen wäre, da er ein Findelkind sei ... Man glaubte ihm halbwegs. Alle stellten fest, daß er eine dicke Beule hatte (» Gestern war sie noch viel größer! «), aber bevor er weiterziehen durfte, wollte der Prévôt seine Aussage überprüfen. Ein Wachtposten ritt zum Zisterzienserkloster. Während man auf seine Rückkehr wartete, verlangte der Prévôt zu sehen, was sich hinter seiner falschen Nase verbarg. Justinien gehorchte.
»Du hättest Aussatz haben können«, sagte der Beamte und bedeutete ihm, sich die Nase wieder umzubinden.
Es war kurz vor dem Abendgottesdienst, als der Posten wieder zurückkam und erklärte, daß die Mönche Justiniens Bericht in allen Punkten bestätigt hätten.
Justinien wurde freigelassen. Während man ihm etwas zu essen gab, lief ein Kind zum Platz hinüber, um seinen Knüppel zu suchen (er war ihm bei seiner Festnahme aus der Hand gerissen worden). Er
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