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Die rechte Hand Gottes

Die rechte Hand Gottes

Titel: Die rechte Hand Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Folco
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noch immer im Sterben liegt, man kann sie bis hierher stöhnen hören.«
    »Mit Verlaub, edler Baron, wir haben ihn bereits aus der Stadt verbannt. Er wird jetzt schon sehr weit gekommen sein.«
    »Fangt ihn wieder ein. Ich verlasse mich ganz auf Euch; Ihr werdet schon eine Begründung finden, die ihn zur Einsicht bringt.«
    » Zu Diensten, edler Baron.«
    Justinien marschierte seit vier Stunden.
    Er trug wieder seine zerlumpten Sachen und humpelte barfuß nach Rodez (seine einzige Sandale hatte er weggeworfen, weil sie ihn mehr gestört als ihm genutzt hätte). Er wollte bis nach Bordeaux und sich dort in die Neue Welt einschiffen, als ihn die Bogenschützen der Gendarmerie einholten.
    »Das ist er«, sagte einer von ihnen und deutete auf seine Holznase.
    »Was wollt Ihr von mir? Ich bin frei. Hier ist meine Haftentlassung, die Aufhebung des Urteils und die Begnadigung. Seht das Siegel des Barons.«
    »Das ist gleich, du mußt uns folgen. Order des edlen Barons.«
     
    Der Bogenschütze reichte ihm die Hand, um ihm auf die Kruppe des Pferdes zu helfen. Sie waren zu viert. Justinien gehorchte zu Tode betrübt.
    Der Rückweg war lang und ließ ihm genügend Zeit, das Schlimmste zu befürchten. Jemand hatte ihn wiedererkannt und angezeigt. Man würde ihn wegen seiner Missetaten zum Tode verurteilen ... Er fragte sich, wen sie wohl dieses Mal davon überzeugen würden, das Amt des Scharfrichters zu übernehmen.
     
    Mitternacht war vorbei, als sie zum Westtor kamen, wo man sie in die Stadt einließ, die in tiefem Schlaf lag.
    »Wohin bringt Ihr mich?«
    »Zum Prévôt.«
    Als sie am Place du Trou vorbeikamen, war Pierre Galine noch immer nicht gestorben. Da einige Frauen versucht hatten, ihn zur Ader zu lassen, hatte man Wachen postiert, um einen Übergriff zu verhindern. Manchmal verstummte Galine. Man hielt ihn für tot und stellte die Leiter auf, um sich davon zu überzeugen, doch dann fing er erneut zu stöhnen an.
    »Laßt uns ihm wenigstens ein paar Tropfen Blut abnehmen«, baten diese Frauen inständig, die trotz der späten Stunde noch immer um die Wachen schlichen, in der einen Hand ein Messer, in der anderen ein Gefäß.
    Das Blut eines Hingerichteten war besonders wirksam gegen Fieber, gegen die Höhenkrankheit, Mondsüchtigkeit und selbstverständlich bei jeder nur vorstellbaren Art von Knochenbrüchen.
    Der Prévôt schlief. Man hütete sich, ihn zu wecken. Justinien wurde in einen Saal gebracht, in dem Soldaten auf einem Faß Würfel spielten. Ein Knebelspießträger zeigte ihm ein Bündel Stroh und befahl ihm, sich dort friedlich zu verhalten. Man kettete ihn nicht an, und er durfte sein Messer behalten, was ein gutes Zeichen war, aber man ließ ihn nicht aus den Augen, was ein schlechtes Zeichen war.
     
    Er versuchte, etwas aus ihnen herauszubekommen, aber niemand gab ihm eine Antwort. So ergab er sich in sein Unglück und versuchte einzuschlafen.
     
    Durch die zum Platz hin geöffneten Fenster hörte er manchmal, wie Galine auf seinem Rad stöhnte. Dieser klammerte sich an sein Leben wie an einen Ast über einem Abgrund.
     
     
    6
     
    Bellerocaille, am Tag nach der Hinrichtung
     
    Justinien träumte gerade, daß er im Galopp mit Mouchette auf einem Pferd dahinschoß, das dem glich, auf dem er gestern hinter dem Bogenschützen gesessen hatte, als ihn plötzlich eine Hand unsanft an der Schulter packte und wachrüttelte.
    »Aufstehen, der Prévôt erwartet dich! «
     
    Zerzaust, mit vom Schlaf verquollenen Augen, folgte er der Wache und rückte eilige seine Nase zurecht, die im Schlaf verrutscht war. Der Amtsdiener, der vor der Tür der Amtsstube hockte, warf einen tadelnden Blick auf seine zerlumpten Kleider und die Strohhalme, die noch in seinem unordentlichen Haar staken. Beaulouis hatte ihm sogar sein Haarband wieder abgenommen, und er hatte schweigend alles erduldet, doch als es um das Messer von Pibrac ging, hatte er in einem so entschlossenen Ton » Niemals! « gerufen, daß der Kerkermeister nicht weiter auf seinem Vorhaben bestanden hatte.
     
    Justinien betrat die Amtsstube des Prévôt, in der sich dieser lautstark mit dem Zimmermeister Calzins auseinandersetzte.
    »Ihr habt ja den Verstand verloren. Für eine solche Summe könnte sich der Baron einen ganzen Wald kaufen! Ich warne Euch, Maître Calzins, so einfach werdet Ihr unsere Börse nicht schröpfen.«
    Während er das sagte, hielt er dem Zimmermann, der unbeeindruckt schien, eine Kostenaufstellung unter die Nase, die mehrere Seiten

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