Die rechte Hand Gottes
umfaßte.
»Da ich keine besonderen Anweisungen bekommen
hatte« - Maître Calzins deutete bei diesen Worten auf Justinien »habe ich geglaubt, gut daran zu tun, an das Ansehen unseres edlen Barons Raoul zu denken. Ihr hättet doch wohl nicht gewollt, daß ich es aus einfachem Tannenholz anfertige?«
»Das versteht sich Maître Calzins, aber fünfhundertfünfzig Livres! Nein wirklich! «
»Mit Verlaub, edler Prévôt, es ist ein sehr schönes Schafott geworden, und man wird es noch so oft benutzen können, wie es nötig ist, natürlich nur, wenn es richtig gepflegt wird.«
Dabei wies der Zimmermann wieder mit einer Handbewegung auf den jungen Mann.
» Es ist ein schönes Stück, da bin ich ganz Eurer Meinung, aber fünfhundertfünfzig Livres, nie! Ihr müßt etwas vom Preis ablassen, sonst wird der Auftrag für die Galgenbalken und seine Behausung jemand anderem zugesprochen.«
Bei dem Wort Behausung hatte Foulques auf Justinien gedeutet, der jetzt zum Zeichen des Unverständnisses die Augenbrauen hochzog. Seine Behausung? Was für eine Behausung? Er trat einen Schritt vor.
»Edler Prévôt, ich erhebe Einspruch. Ich hatte schon fast Boussac erreicht, als Eure Bogenschützen mich eingeholt und gewaltsam hierher zurückgebracht haben.«
»Ich weiß, auf Geheiß des Barons. Hör mir jetzt gut zu. Deine gestrige Arbeit ist an höchster Stelle mit Wohlwollen aufgenommen worden. Der edle Baron Raoul hat also beschlossen, dir das Amt des Scharfrichters auf Dauer anzubieten. Es ist ein unverhofftes Glück für einen Spitzbuben wie dich, eine so verdienstvolle Stellung innerhalb unserer schönen Stadt zu finden.«
Foulques ergriff ein Pergament, das auf seinem mit Papieren überhäuften Schreibtisch lag, und hielt es ihm hin. Ohne das Schriftstück zu berühren, beugte sich Justinien vor, um es zu lesen. Er sah, daß es sich um eine Ernennungsurkunde handelte, die ihn zum Scharfrichter von Bellerocaille bestellte.
»Ich will auf keinen Fall Henker werden. Und Ihr könnt
mich nicht dazu zwingen. Ich habe das erfüllt, was Ihr von mir verlangt habt, und der Baron hat mich begnadigt. Ich bin also frei. Ich denke nicht, daß er die Art von Herrscher ist, die ihr eigenes Siegel nicht anerkennt.«
»Ich sage dir doch, daß der Baron Gefallen an dir gefunden hat. Er will dich als Scharfrichter. Und du wirst es nicht bereuen: Dieses Amt bringt allerlei nicht zu unterschätzende Vorteile mit sich.«
Justinien sah ihn ungläubig an, dann faltete er fieberhaft sein Begnadigungsschreiben auseinander und deutete auf das Siegel des Barons.
» Seht es Euch nur an, ich bin frei! Ich will kein Henker werden! Ich will Seemann werden, wie ... ehm ... mein Vater Jules Pibrac ... Ich will mein Glück in der Neuen Welt versuchen.«
» Ganz ruhig, du Wirrkopf. In deinem Alter und in deiner Lage schlägt man kein Amt aus, das einhundertzwanzig Livres ohne Abzüge pro Jahr einbringt. Ganz zu schweigen von dem Rest. Hier, du Querkopf, unterschreib, wenn du schreiben kannst, sonst mach ein Kreuz! «
» Ich kann sehr wohl schreiben, und zwar sicherlich besser als Ihr, und ich werde diese Ernennungsurkunde niemals unterzeichnen, das ist nicht gerecht. Ich rufe den Rat des Barons an! «
Ehe Justinien auch nur eine Handbewegung machen konnte, hatte Foulques ihm das Begnadigungsschreiben schon entrissen und es in tausend kleine Schnipsel zerfetzt.
» Du kannst also besser schreiben als ich? Bist du auch im Zerreißen genauso gut wie ich?«
Justinien begriff. Ohne seine Begnadigung und mit einer gebrandmarkten Schulter war es fast unmöglich, sich frei im Land zu bewegen, ohne bei der ersten Kontrolle durch einen Wachposten, die Miliz oder die Gendarmerie mit ernsthaften Schwierigkeiten rechnen zu müssen. Ein schneller Blick auf den Zimmermann bestätigte ihm, daß er von dieser Seite keinerlei Hilfe zu erwarten hatte. Er fühlte sich in die Enge getrieben.
Seine Verzweiflung rührte Foulques, der jetzt versuchte, ihm wieder Hoffnung zu machen.
» Diese Ernennung muß jedes Jahr erneuert werden, unterschreibe nur, bis zum nächsten Mal habe ich einen Ersatz für dich gefunden. Darauf gebe ich dir mein Wort.«
Mit Tränen in den Augen ergriff Justinien die dargebotene Feder und unterzeichnete. Maître Calzins schnaubte vor Verachtung. Auf dem Platz wieherte ein Pferd.
» Sehr gut, edler Scharfrichter, sehr gut. Begebt Euch jetzt bitte zum Beisitzer Duvalier, damit er Euch in Euer Amt einführt und Euch über die Rechte und
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