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Die rechte Hand Gottes

Die rechte Hand Gottes

Titel: Die rechte Hand Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Folco
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Privilegien Eures Standes in Kenntnis setzt. Lernt sie auswendig und haltet Euch genau daran, denn man wird viel von Euch verlangen und Euch wenig nachsehen.«
    »Diesen Flegel als edel zu bezeichnen! Ich glaube, Ihr vergeßt Euch, edler Prévôt «, sagte der Zimmermann aufgebracht, und seine Stirn und seine Wangen waren vor Unmut rot angelaufen.
    »Erlaubt mir, daß ich Euch darauf hinweise, daß Maître Pibrac durch die Unterzeichnung dieser Ernennungsurkunde ein Beamter der lehnsherrlichen Gerichtsbarkeit geworden ist. Mit anderen Worten, er steht in der Rangordnung vier Stufen über Euch. Jegliche Verletzung dieser Tatsache wird als äußerst schwerwiegend betrachtet und entsprechend geahndet werden. Ist das klar, Zimmermeister?«
    »Vollkommen klar, edler Prévôt«, versicherte Calzins mit scheinheiliger Miene.
    Der Amtsdiener führte Justinien zu einer kleinen fensterlosen Kammer, in der es nach kaltem Kerzenwachs roch und in der drei Schreiber und der Beisitzer Duvalier eifrig arbeiteten. Duvaliers Augen waren gerändert, und unter seiner Haut schimmerte der schwarze Bart, denn der Magister hatte die Nacht damit verbracht, eine Charta für den Scharfrichter des Baronats Bellerocaille aufzusetzen, die mit wenigen Abweichungen der des Scharfrichters von Rodez, Maître Pradel, glich. Da es keine Sitzgelegenheit gab, blieb Justinien stehen und war in seine verworrenen Gedanken vertieft.
    »Zunächst, edler Scharfrichter, müßt Ihr wissen, daß Eure Ernennungsurkunde sich ausschließlich auf Hinrichtungen bezieht, damit meine ich alle Arten der Bestrafung, die auf einem Schafott, an einem Galgen oder auf einem Scheiterhaufen vollstreckt werden. Die Folter hingegen, die im allgemeinen auf dem Boden, ja manchmal gar auf Knien vollstreckt wird, ist das alleinige Vorrecht von Bertrand Beaulouis, dem Kerkermeister des herrschaftlichen Gefängnisses. Zwar seid Ihr angehalten, zu köpfen, zu hängen, zu verbrennen und zu rädern, doch Ihr dürft auf keinen Fall jemanden an den Pranger stellen oder in Halseisen legen. Ebenso ist es Euch untersagt, ein öffentliches Schuldbekenntnis zu erzwingen, zu brandmarken, auszupeitschen, zu verstümmeln und die ordentliche oder außerordentliche Folter durchzuführen.«
    Der Beisitzer überreichte ihm eine Auflistung.
    »Dies ist die Liste der Gegenstände, die zur Ausübung Eures Berufs vonnöten sind und die Ihr Euch in kürzester Zeit beschaffen müßt. Ihre Pflege obliegt Eurer Sorgfalt. Es werden regelmäßige Überprüfungen vorgenommen.«
    Justinien las: Ein Beil, ein Schwert, ein Richtblock, eine Stange zum Knochenbrechen, ein Andreaskreuz, eine Richtbühne, vier Galgenbalken, Hanfkordeln.
    »Wir gewähren Euch eine jährliche Rente von einhundertundzwanzig Livres«, fuhr Duvalier fort, »und jeder Eurer Dienste wird entsprechend den Vergütungen, die auch in Rodez üblich sind, entlohnt. Für einen abgeschlagenen Kopf: achtzig Livres. Für das Hängen: dreißig Livres zuzüglich der Kordeln. Für eine Überführung zum Scheiterhaufen, das Verbrennen und das Verstreuen der Asche in alle Winde: siebzig Livres, zuzüglich der Kosten für das Holz und andere notwendige Ausgaben für die Durchführung der obengenannten Strafe. Für das Knochenbrechen: fünfzig Livres, zuzüglich zehn Livres für die Zurschaustellung auf dem Rad und fünf Livres für die Überführung zum Richtplatz. Eure Kostenaufstellungen sind in der Woche nach der erbrachten Leistung anzufertigen ... Seid Ihr des Schreibens kundig?«
    »Ja.«
    » Sehr gut, das spart Euch die Kosten für einen öffentlichen Schreiber. So, nun müßt Ihr noch wissen, daß Euch Euer Amt dazu verpflichtet, außerhalb der Stadtmauern zu leben.«
    »Oh! Und wo soll ich wohnen? In der freien Natur?«
    » Eure Behausung ist in der Nähe des Galgens vorgesehen, der in Kürze an der Kreuzung der Quatre-Chemins aufgestellt werden wird.«
    »Sehr gut, und was mache ich in der Zwischenzeit?«
    Duvaliers Gesichtsausdruck wurde unsicher.
    » Um diese Frage zu klären, müßt Ihr mit dem edlen Prévôt Foulques sprechen. Was Eure Charta betrifft, nehmt außerdem zur Kenntnis, dass Ihr verpflichtet seid, ständig – selbst an Feiertagen - Kleidungsstücke zu tragen, die sich von denen der anderen Bürger unterscheiden und keinerlei Zweifel an Eurem Stand aufkommen lassen. Das beruhigt die ehrlichen Bürger und wirkt abschreckend auf die Übeltäter.«
    Justinien hörte mit Bestürzung, daß ab jetzt alle seine Kleider rot wie Ochsenblut

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