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Die rechte Hand Gottes

Die rechte Hand Gottes

Titel: Die rechte Hand Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Folco
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löste dieser erste Schlag einen wahren Begeisterungssturm aus. Man beklatschte jeden Bruch.
    »Ich muß zu kräftig und in einem zu schrägen Winkel zugeschlagen haben«, sagte er zu sich, als er die Stange wieder aufhob.
    Er warf einen besorgten Blick zum Balkon des Amtsgebäudes hinüber.
     
    Der zweite, gut gezielte Schlag zertrümmerte Galines Oberarmknochen. Der schrie wie am Spieß und zerrte an seinen Fesseln. Die Menge rief Justinien zu:
    » Gut gemacht! «
    Der dritte und der vierte Schlag ließen von den Knochen des rechten Arms nur noch Splitter übrig. Galines Schreie wurden so durchdringend und so lang, daß später die Wachposten an den drei Stadttoren schworen, sie gehört zu haben.
    Justinien holte tief Luft und wischte sich erneut mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn. Auch Galine war heiß geworden. Der Schweiß lief ihm in Strömen über sein bleiches Gesicht und durchtränkte sein Hemd, das an seinem mageren Körper klebte. Darunter zeichneten sich die Rippen und sein Geschlecht ab (welches durch den Schmerz erstaunlicherweise ganz klein geworden war). Er wirkte keineswegs mehr geistesabwesend und schnappte rasselnd und keuchend, mit verzerrtem Mund, nach Luft. Er litt wirklich Höllenqualen.
    »Hab Erbarmen... Töte mich ... Aus Liebe zu unserem Herrn ... Töte mich.. , Aagghh ... «
    Justinien zerschmetterte ihm beide Beine in Rekordzeit.
    » Nicht so schnell! « protestierte eine Frauenstimme.
    Das Fleisch rund um die Fesseln schwoll an, dunkelrote Flecken wurden unter der Haut sichtbar. Galine fing an zu wimmern, was den Pöbel nur noch mehr aufstachelte, weil sein Wehklagen nun gelegentlich an das Quäken eines Säuglings erinnerte.
    Der neunte und der zehnte Hieb drückten seinen Brustkorb ein und entlockten ihm das langgezogene Brüllen eines Tieres im Todeskampf. Sein Kopf, der keinen Halt hatte, hing nach hinten, Schweiß tropfte ihm an den Haaren entlang und verdampfte, sobald er mit dem glühendheißen Pflaster in Berührung kam.
     
    Für den elften und letzten Schlag nahm Justinien all seine Kraft zusammen und schlug die Stange mit voller Wucht auf den Nabel. Dadurch wurde das Rückgrat zerschmettert, ein paar Nerven durchtrennt und eine Niere an der zehnten Rippe zerquetscht.
     
    »Gut, das wär's«, murmelte er und drehte sich zum Bal-
    kon des Amtsgebäudes um. Er sah, wie Baron Raoul sich erhob und mit lauter Stimme verkündete:
    »Die Gerechtigkeit ist wiederhergestellt.«
    Die Menschenmenge applaudierte ihm. Der Baron lud nun den Grafen und Bischof ein, ihn auf die Burg zu begleiten. Dort erwartete sie ein Bankett,  Spiele und später ein Ball.
    Justinien band Galine los. Dieser röchelte schwach, und rötlicher Speichel lief ihm aus dem Mund.
     
    Der Hauptmann kam, um seinen Degen zurückzuverlangen. Justinien gab ihn ihm.
    »Würdet Ihr mir helfen? Er ist zu schwer, als daß ich es allein schaffen könnte.«
    Entrüstet wandte sich der Soldat ab.
    Die Büßer näherten sich dem Schafott und sangen nun wieder ihr Salve, Regina. Unterdessen stieg der Barmherzige Bruder auf die Plattform, um dem Sterbenden beizustehen.
    »Ich bitte Euch, helft mir!« flehte der Henker ihn an.
    Nur sehr widerstrebend willigte der Bruder ein. Sie trugen Galine ohne Schwierigkeiten hinunter, aber als sie ihn dann zweieinhalb Meter hochheben mußten, wurde die Sache schwieriger. Mit dem verrenkten Körper auf dem Rücken, kletterte Justinien vorsichtig die Leiter hinauf, die der Mönch festhielt. Dieser stimmte in den Gesang der Büßer mit ein und sang während der ganzen Prozedur mit, sogar dann noch, als Galine sich über ihm entleerte und ihn beschmutzte.
    Justinien, der kurz davor war, sich zu übergeben, gelang es, Galine auf das Rad zu legen, das Gesicht gen Himmel, so wie es im Urteil festgesetzt worden war. Die Hinrichtung war vorüber. Er war wieder ein freier Mann.
    Anstatt sich allmählich zu verlaufen, schob sich die Menschenmenge immer heftiger vorwärts, und es gelang ihr, die Sperren der Milizsoldaten und der Wachen zu durchbrechen. Alles drängte sich um den Mast, und jeder verrenkte sich den Hals, um einen Blick auf das Gesicht des Sterbenden zu erhaschen, in der Hoffnung, eine Gemütsbewegung ablesen zu können. Einige kletterten, weil sie besser sehen wollten, auf das Schafott; sie machten einen Bogen um den Henker, der sich gerade sein Wams wieder anzog, und stellten überrascht fest, daß er eine Nase aus Holz unter seinem breitkrempigen Hut trug.
    Die Zuschauer

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