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Die rechte Hand Gottes

Die rechte Hand Gottes

Titel: Die rechte Hand Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Folco
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tot, Marius war leicht am Oberschenkel verletzt, und Thomas, Raflette und Guez blieben unversehrt.
    Einige Journalisten aus der Hauptstadt nahmen die mühselige Reise auf sich, um an dem Prozeß teilzunehmen, nachdem sie in der Zeitung gelesen hatten, daß eine der ältesten Henkersfamilien in die Geschichte verwickelt war.
    Hippolytes Aussage und vor allem sein Schlußantrag, den man mit Spannung erwartet hatte, wurden unterschiedlich aufgenommen. Der alte Mann wandte sich zur Anklagebank, deutete drohend mit dem Zeigefinger auf die Angeklagten und rief mit donnernder Stimme:
    »Zittert, ihr Mörder, und seid verdammt! Ich habe Beelzebub verständigt. Er erwartet euch persönlich an den Pforten der Hölle! «
    Thomas fiel auf die Knie und verbarg sein Gesicht in den Händen. Alle Frauen unter den zahlreichen Zuschauern bekreuzigten sich gleichzeitig, und einige Männer schlossen sich ihnen an. Die Journalisten waren begeistert. Angesichts einer solchen Aussage hatte sich ihre Reise gelohnt. Niemand achtete auf Léon, der sich, von Scham übermannt, mit hochrotem Kopf aus dem Gerichtssaal schlich.
    Alles wurde noch schlimmer, als er am nächsten Tag die Zeitungen las: »Skandal vor Gericht«, »Die Verwünschung des Henkers Pibrac« usw. Er sattelte sein Pferd und galoppierte zum Herrenhaus.
    » Einen solchen Skandal hätten Sie uns ersparen können! « rief er und warf die Zeitungen auf den Tisch. »Sie sind offenbar der Ansicht, daß es noch nicht genug Vorurteile gibt, wir müssen auch noch zum Gespött des Départements und ganz Frankreichs werden.« Er wies auf die Zeitungen aus der Hauptstadt.
    Hippolyte und Casimir schlugen die Zeitungen auf, begannen zu lesen und lachten bei einigen Passagen laut auf. Sie tauschten die Seiten aus und machten sich über die Skizzen lustig, die die Artikel illustrierten.
    »Du bist doch in der Tradition erzogen worden«, wunderte sich Hippolyte, »was kümmert es dich, was die Leute reden? Das hat es immer gegeben, und das wird es immer geben. Es ist dir also nichts von den Übungen zum Selbstschutz geblieben?«
    Justinien der Erste hatte diese Übungen ausgearbeitet. Sie bestanden darin, sich an die Vorurteile zu gewöhnen, sie in all ihren Vorkommensweisen zu studieren und zu lernen, darauf zu antworten. Die sieben Stammhalter hatten die Vorurteile in über sechshundert Darstellungen aufgezeichnet und - zumeist tadelnde - Antworten darauf entworfen.
    »Was diese Schreiberlinge über uns sagen, ist völlig bedeutungslos, und es ist auch nicht das erste Mal. Wichtig ist Léon, daß ich durch meine Verwünschung diese menschlichen Würmer bis zur letzten Sekunde in Angst und Schrekken versetzt habe. Vor allem ihren Anführer. Hast du sein Gesicht gesehen? ... Siehst du, das allein zählt. Und das war erst der Anfang ... «
    Léon verkrampfte sich.
    »Vater, ich flehe Sie an, lassen Sie sich nicht zu weiteren Überspanntheiten hinreißen. Denken Sie an Saturnin, der in diesem Jahr in die Schule kommt.«
    »Mach dir keine Sorgen, ich denke daran, aber darum vergesse ich auch nicht Henri, Adèle, Antoine und Berthe. Hast du schon vergessen, was sie ihnen angetan haben? Und das Dornengestrüpp, Léon? Erinnerst du dich an das Dornengestrüpp und an das, was wir tun mußten?«
     
    Der Prozeß gegen die Fersenröster aus dem Aveyron dauerte acht Monate. Thomas Lerecoux, Raflette, Guez und Marius wurden zum Tode verurteilt. Ihre Anwälte setzten sich in den Zug nach Paris und baten bei Präsident Loubet um ihre Begnadigung, doch sie wurde abgelehnt. Das Datum der Hinrichtung wurde festgesetzt. Ein Gendarm wurde mit einer Depesche nach Auteuil geschickt, wo Anatole Deibler lebte, um ihm den dienstlichen Auftrag für eine vierfache Hinrichtung im Département Aveyron zu überbringen.
    Anatole lächelte.
    »Wo ist es?« fragte Louis, sein Vater, der von seinem Lehnstuhl aus das rosafarbene Formular erkannt hatte.
    »In Bellerocaille. Die Fersenröster aus dem Aveyron, eine vierfache.«
    Das welke Gesicht des alten Henkers im Ruhestand hellte sich auf.
    »Übermittle dem Siebten und Casimir meine Grüße. Und wenn du Zeit hast, dann bitte ihn, dir seine >Mechanische< wie er sie nennt, zu zeigen, sie ist ein wahres Schmuckstück.«
    Die Arme über seiner Lefaucheux gekreuzt, auf dem Kopf einen altmodischen Zylinder, Bart und Haare frisch gefärbt, so beobachtete Hippolyte mit Interesse die Einfahrt der Lokomotive in den neuen Bahnhof von Bellerocaille. Casimir stand mit seiner

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