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Die rechte Hand Gottes

Die rechte Hand Gottes

Titel: Die rechte Hand Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Folco
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den Schuppen, in dem die Werkzeuge für die Folter und die Hinrichtung untergebracht waren. Casimir öffnete die beiden Türflügel und arretierte sie mit Steinen.
    Bei den Pibracs wurde nichts weggeworfen, und alles, was sieben Generationen zur Ausübung ihres Amtes benutzt hatten, war sorgfältig aufgehoben, gepflegt und katalogisiert worden. Stapel von Galgenbalken, die Vorrichtung zum Aufhängen des Galgens mit den dazugehörigen Leitern, der Pranger und selbst die Räder, auf denen die drei ersten Justiniens gerädert hatten, ehe diese Strafe abgeschafft wurde, waren auseinandergenommen und säuberlich in Regalen gestapelt worden. Die Eichenbretter des von Meister Calzin gebauten Blutgerüsts lagen sorgfältig numeriert neben denen des zerlegbaren Schafotts, das Justinien III. (der Rächer) erdacht hatte, und bei dem ein Teil in das andere gefügt wurde, ohne daß man Bolzen, Schrauben oder Nägel gebraucht hätte. An der Wand aufgereiht, standen rund ein Dutzend Richtblöcke, deren Mitte vom Gebrauch leicht ausgehöhlt war. Etwas weiter stand die private Guillotine der Familie, die ebenfalls Justinien III. entworfen und gebaut hatte. Er war mit Abstand der schöpferischste des Geschlechts gewesen, und die Neuheiten, die er entwickelt hatte, ließen eher auf sein handwerkliches Geschick als auf sein menschliches Feingefühl schließen.
    Als Zek wieder zu Bewußtsein kam und die Augen öffnete, begriff er nicht sofort, was die beiden unheilvollen Greise mit all diesen Holzteilen vorhatten. Sein rechtes Bein steckte immer noch in dem Spanischen Stiefel, doch es war nur noch ein Brei aus zerquetschten Knochen und Muskeln. Sein rechter Fuß war auf das Doppelte seiner normalen Größe angeschwollen und hatte eine violette Färbung angenommen.
    »Mi pierna, mi pierna«, stammelte er.
    Der Schmerz erregte Übelkeit und Ohrensausen. Plötzlich wurde er starr vor Entsetzen. Hippolyte und Casimir hatten soeben zwei Holme aufgerichtet, die er voller Grauen erkannt hatte. Vor drei Jahren, als Zek durch Bourg-en-Bresse gereist war, hatte man auf dem Champ-de-Mars Joseph Vacher hingerichtet, der mehreren Hirten den Bauch aufgeschlitzt hatte. Damals hatte Zek die Guillotine gesehen.
    »No, hombre, eso no se puede ... «
    Dann begann er laut zu schreien ...
    Unwillig unterbrachen sie ihre Arbeit, um ihn zum Schweigen zu bringen. Doch Zek war wie wahnsinnig und brüllte nur immer lauter. Das machte die Hühner nervös, die auf dem Hof herumpickten. Sie knebelten ihn und setzten dann ihre Arbeit fort.
    Dreißig Minuten später war das Werk vollendet. Zek sah, wie sie ins Herrenhaus gingen und kurze Zeit später gewaschen und in anderen Kleidern wieder herauskamen. Hippolyte trug einen Zylinder und Casimir eine Melone.
    Sie nahmen ihm den Spanischen Stiefel ab und banden ihn los. Casimir holte aus einem verzierten Lederetui eine silberne Schere mit abgerundeten Ecken und machte sich daran, ihm im Nacken die Haare abzuschneiden, dann folgte der buntgemusterte Kragen, den Hippolyte in die Tasche schob.
    Da er nicht laufen konnte, hoben sie ihn hoch und trugen ihn zur Guillotine, wo sie ihn ohne weitere Umstände auf das Schaukelbrett legten und nach vorne kippten. Zek spannte den Nacken an und krümmte den Rücken. Das Fallbeil sauste herunter, und sein Kopf fiel in den Bronzekübel mit dem Wappen der Pibracs.
    »Siehst du, Casimir, das macht sie zwar nicht wieder lebendig, aber es erleichtert unseren Schmerz ein wenig.«
    Zek wurde als Dünger am Fuß einer jungen Eiche im Park begraben.
    » So erweist er sich zumindest einmal in seinem Leben als nützlich«, sagte Hippolyte anstelle einer Gedenkrede.
    Die »Mechanische« wurde auseinandergenommen, gereinigt und wieder in der Scheune verstaut. Casimir goß einige Eimer voll Wasser über die Pflastersteine. Hippolyte ging in sein Arbeitszimmer, setzte sich an seinen Schreibtisch, öffnete das Familienbuch, in dem er seit seinem vierzehnten Lebensjahr peinlich genau alle Vorkommnisse eintrug, und schrieb alle Einzelheiten dieses ereignisreichen Tages, es war der 22. Mai 1901, nieder.
    Dank der Hinweise von Monsieur Pibrac spürten die Gendarmen einige Tage später Thomas und seine Bande in den Ruinen der Mühle von Roquelaure auf. Dort hatten sie sich versteckt, nachdem sie festgestellt hatten, daß der Zigeuner aus der Estremadura verschwunden war.
    Nach einem zwanzigminütigen wilden Kampf ergaben sich die Banditen, da ihnen die Munition ausgegangen war. Ducasse und Kénavo waren

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