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Die Regenbogentruppe (German Edition)

Die Regenbogentruppe (German Edition)

Titel: Die Regenbogentruppe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Hirata
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anderes Mal lieferte Lintang den Entwurf für einen Drachen mit einer Schnur, die mit feinsten Glassplittern versehen war. Der sollte uns bei Drachenwettbewerben unbesiegbar machen. Lintang häufte ganze Berge an Skizzen und Plänen an, die dann natürlich im Entwurfsstadium steckenblieben. Darunter eine Konstruktion, mit der man schwere Objekte, die gesunken waren, vom Boden eines Flusses hochhieven konnte, Entwürfe für verrückte Gebäude, die allen Gesetzen von Tiefbau und Architektur trotzten, und natürlich arbeitete auch er an der Erfüllung des uralten Menschheitstraumes vom Fliegen. Wenn Lintang von der Bühne abging, nahm Mahar seine Stelle ein.
    Er senkte dann höflich den Kopf wie ein Künstler, der den Herrscher um Erlaubnis bittet, bei Hofe ein Stück zum Besten geben zu dürfen. Dann trug er einige parodistische Verse vor, über Malaien, die plötzlich reich geworden waren, oder Gedichte über weiße Vögel an der Küste von Tanjung Kelayang. Wenn er seine Ukulele hervorzog, konnte er uns damit in den Schlaf wiegen.
    Die beiden waren unglaublich vielseitig. Lintang bezog sein Wissen aus Pak Harfans Büchersammlung, während Mahar vom Umgang mit Redakteuren der lokalen Radiostation Suara pengejawantahan profitierte.
    *
    Da Mahar eine blühende Fantasie besaß, die sich Tag für Tag stärker entwickelte, verfiel er in zunehmendem Maß einer Vorliebe für verrückte und sinnlose Märchen und für alles Paranormale. Man konnte ihn nach alten Legenden und Mythen von Belitung fragen, er kannte sie alle auswendig, angefangen von dem Riesendrachen des Chinesischen Meeres bis zu dem Affenkönig, der einmal über unsere Vorfahren geherrscht haben sollte.
    Mahar war ein begeisterter Fan von Bruce Lee. Bei ihm zu Hause hingen überall an den Wänden Poster des Kung-Fu-Meisters in den verschiedensten Posen. Mehrmals bat er Bu Mus um Erlaubnis, das bekannteste Poster von Bruce Lee in der Klasse aufhängen zu dürfen: Bruce Lee posiert darauf als wütender Drache mit einem Nunchaku, einem doppelten Stock, als Waffe, drei roten Streifen im Gesicht, Wunden, die ihm sein Gegner mit einem Tigerschlag beigebracht hatte.
    Mahar glaubte auch fest an die Existenz von Außerirdischen und daran, dass sie eines Tages auf Belitung landen und sich als Pfleger in der Klinik der Bergbaugesellschaft, als Hausmeister in der Schule, als Muezzin in der Al-Hikma-Moschee oder als Schiedsrichter beim Fußball ausgeben würden. Manchmal war er auf sympathische Weise übergeschnappt. Dann behauptete er zum Beispiel, der Präsident der Internationalen Paranormalen Gesellschaft zu sein, die den Kampf der Menschheit gegen den Angriff der Außerirdischen anführen würde, bewaffnet mit nichts als Wedeln aus Gardenienblättern.
    *
    Eines Nachmittags – es hatte den ganzen Tag über stark geregnet – erschien ein perfekter Regenbogen am Himmel, ein voller Halbkreis, strahlend hell in sieben Farben. Das rechte Ende stieg von Muara Genting auf, während sich das linke Ende auf den dichten Pinienwald am Hang des Selumar niedersenkte. Der Regenbogen schwang sich seidig schimmernd über die Ebene, er sah aus wie Millionen von schönen Jungfrauen in bunten Gewändern, die sich in einen abgelegenen See stürzen, um ihre Schönheit zu verbergen.
    Wir rannten zum Filicium und kletterten hinauf, jeder auf seinen gewohnten Ast. Wir taten das jedes Mal, wenn es geregnet hatte, um den Regenbogen zu betrachten. Deswegen nannte uns Bu Mus »die Regenbogentruppe«.
    Nun erlebte der alte Baum einen Tumult, denn unsere Meinungen über das wunderbare Naturschauspiel, das den Osten von Belitung erfüllte, gingen weit auseinander. Natürlich hatte Mahar die gewagteste Theorie anzubieten. Als wir ihn bedrängten, zögerte er jedoch, damit herauszurücken. Seine Augen sagten: Dies hier ist keine eurer harmlosen Kindergeschichten, und ihr seid wohl kaum in der Lage, diese heiklen Informationen für euch zu behalten!
    Aber dann gab er doch nach, weniger uns zuliebe, die wir ihn bedrängten, sondern eher, weil er der Gelegenheit, sich zu produzieren, nicht widerstehen konnte.
    »Ihr müsst wissen«, erklärte er und blickte dabei in die Ferne, »der Regenbogen ist in Wirklichkeit eine Zeitbrücke!«
    Wir verstummten, und es wurde ganz still, so gespannt waren wir auf das Produkt von Mahars Fantasie.
    »Wenn es uns gelingt, den Regenbogen zu überqueren, begegnen wir den Menschen, die früher auf Belitung gelebt haben, den Vorfahren der Sawang.«
    Dazu machte er ein

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