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Die Regenbogentruppe (German Edition)

Die Regenbogentruppe (German Edition)

Titel: Die Regenbogentruppe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Hirata
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brachten. Die Frauen wurden zum Nähen der Säcke eingesetzt. Beide Tätigkeiten waren die niedersten für ungelernte Arbeiter hier auf Belitung. Die Sawang schienen jedoch damit zufrieden zu sein, solange sie jeweils montags ihren Lohn erhielten. Selten genug reichte er bis zum Mittwoch. In ihren Adern floss kein Tropfen Geiz. Sie gaben ihr Geld aus, als gäbe es kein Morgen, und machten Schulden, als lebten sie ewig.
    Die Bergbaugesellschaft hatte die Sawang in einem Langhaus untergebracht, das in viele kleine Wohnbereiche unterteilt war. Insgesamt dreißig Familienoberhäupter lebten dort mit ihren Familien.
    Die Sawang kennen keine Hierarchien. Der einzige Mensch unter ihnen, dem sie besonderen Respekt zollen, ist der Häuptling, meist ein Schamane und Heilkundiger.
    Die Tatsache, dass die Sawang nicht mit Geld umgehen können, macht sie jedoch sehr oft zu Opfern von Vorurteilen. Die malaiische Bevölkerung assoziiert alles Negative sofort mit ihnen. Diese Missachtung findet sich allerdings nur bei einem Teil der Malaien wieder, nämlich bei denjenigen, die fürchten, durch die Sawang ihre Arbeit zu verlieren, da sie selbst keine schwere Arbeit verrichten wollen. Die Erfahrung hat uns jedoch gelehrt, dass die Sawang sehr redliche Leute sind. Sie ziehen sich gern in ihre eigene Gemeinschaft zurück, mischen sich nicht in die Angelegenheiten anderer ein, besitzen ein hohes Arbeitsethos und begehen kaum jemals irgendwelche Straftaten. Das heißt, sie machen zwar Schulden, aber sie flüchten nie vor ihnen.

 
     
     
    14  Das schwarze Seil hing locker gespannt über dem braun aufgewühlten Wasser. Das eine Ende, an dem ein gegabeltes Holzstück befestigt war, hatte sich an dem alten morschen Ast eines Gummibaums in der Flussmitte verfangen. Samson hatte es dort rübergeschleudert.
    Fast siebzehn Meter betrug die Entfernung zwischen dem Flussufer und dem Ast des Gummibaums, an dem das Holz festhing. Der Fluss war also mindestens dreißig Meter breit. Wie tief, das wusste nur Gott. Die Strömung schoss schnell und stark dahin, das Wasser glitzerte im hellen Sonnenlicht.
    A Kiong hielt das andere Ende des Seils. Er kletterte auf einen Baum mit dichtem Blattwerk, der am Ufer gegenüber dem Gummibaum stand, und befestigte das Seil an einem Ast. Ich zitterte, als ich mich hangelnd auf den Gummibaum zubewegte. Ich hing an dem Seil wie ein Soldat bei einer Manöverübung. Manchmal rutschten meine Füße ab und berührten die wirbelnde Wasseroberfläche, sodass mein Blut stockte. Ich konnte mein Spiegelbild verschwommen im trüben Wasser sehen. Wenn ich runtergefallen wäre, hätte man mich in den Wurzeln des Mangrovenwalds wiederfinden können, an der Lenggang-Brücke, fünfzig Kilometer von hier.
    All diese Anstrengungen, die wir trotz des elterlichen Verbots auf uns nahmen, dienten nur dazu, einige Früchte von den Gummibäumen zu pflücken, um beim Tarak-Spiel den Wert unseres Einsatzes zu erhöhen. Die Früchte des Gummibaums bargen ein Geheimnis. Die Härte ihrer Schalen konnte man nämlich nicht von außen erkennen. Und gerade darin liegt der Reiz jenes uralten, legendären Spiels. Man nimmt zwei Gummibaumfrüchte in die Hand und haut sie gegeneinander. Sieger ist, dessen Frucht nicht knackt. Allerdings ist es so, dass die Gummibäume mit den steinharten Früchten immer nur tief drinnen im Wald zu finden sind und man viel Mut, oder besser Sturheit und Dummheit braucht, um sie sich zu holen.
    Tarak wird in den Dörfern nur zu Beginn der Regenzeit gespielt. Wenn dann die Regenfälle stärker werden, ist die Zeit des Tarak bald vorbei. Ende September, wenn die Sintflut vom Himmel stürzt, werden die Spiele härter. Dann wird die Welt düster, jedenfalls empfinden das die meisten Menschen so. Wir dagegen waren in den Monaten, die auf »-ber« endeten, alles andere als niedergeschlagen. Denn das Jahresende versprach viele lustige Dinge für uns. Es drängt mich, sie alle aufzuzählen. Doch eins nach dem anderen.
    *
    Lintang berichtete uns, er habe neue Reifen für sein Fahrrad gekauft und auch die Kette habe er wieder repariert. Er hatte sich nämlich vorgenommen, seine Mutter hinten aufs Rad zu setzen, damit sie bei der Zeugnisverleihung dabei sein könnte. Bei diesen Worten leuchteten seine Augen auf. Normalerweise war sein Vater dabei, wenn es Zeugnisse gab. Lintang war daher unheimlich stolz, dass er diesmal seiner Mutter das klassenbeste Zeugnis präsentieren konnte.
    Schon ganz früh am Morgen saßen Lintang und

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