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Die Regenbogentruppe (German Edition)

Die Regenbogentruppe (German Edition)

Titel: Die Regenbogentruppe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Hirata
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Gesicht, auf dem Bedauern zu lesen war, so als hätte er eben ein seit sieben Generationen gehütetes Familiengeheimnis preisgegeben. Dann fügte er noch mit ernster Miene hinzu: »Aber denkt bloß nicht, ihr könntet die primitiven Menschen von Belitung und die Vorfahren der Sawang so einfach treffen …«
    »Wieso denn nicht, Mahar?«, fragte A Kiong ängstlich.
    »Weil sie Kannibalen waren!«
    A Kiong schlug sich die Hand vor den Mund und wäre fast von seinem Ast gestürzt. Seit der ersten Klasse der Grundschule war er ein treuer Gefolgsmann von Mahar. Er glaubte Mahar alles, was er sagte. Für ihn war Mahar der Meister und spirituelle Ratgeber. Die beiden hatten sich zu einer Sekte der Spinner zusammengeschlossen.
    Lintang klopfte Mahar anerkennend auf die Schulter, lächelte dabei aber fein und hüstelte künstlich, um sein Lachen zu verbergen. Wir freuten uns weiter an der Schönheit des Regenbogens und saßen schweigend zusammen, bis die Sonne unterging.
    Der Ruf zum Magribgebet hallte von den Stelzenhäusern der malaiischen Bewohner wider, wanderte von einer Moschee zur anderen. Unsere Zeitbrücke wurde von der hereinbrechenden Nacht verschlungen. Wir durften, während der Ruf ertönte, nicht sprechen.
    »Seid still und achtet auf den Ruf, der euch den Sieg verkündet«, ermahnten uns die Eltern immer.
    *
    Ich dachte lange über Mahars Geschichte nach, vor allem darüber, was er über die Menschen von Belitung in früheren Zeiten sagte.
    Wir Malaien waren einfache Menschen. Die Orientierung fürs Leben erhielten wir von unseren Eltern und von geistlichen Lehrern. Dazu trafen wir uns abends nach dem Magrib im Gebetshaus. Die Prinzipien unserer Lebensphilosophie finden sich in den Geschichten der Propheten, in der Erzählung von Hang Tuah und in den Gurindam-Versen. Unser Volk ist zwar sehr alt, aber über die Herkunft der Malaien kursieren verschiedene Ansichten. Ja, es gibt sogar Wissenschaftler, die behaupten, wir Einwohner von Belitung wären gar keine Malaien.
    Wir nehmen diese Behauptung jedoch nicht allzu ernst, erstens, weil die Belitunger sie nicht begreifen würden, und zweitens, damit man uns nicht für einen primitiven Volksstamm hält. Für uns sind alle Bewohner entlang der Küste von Belitung bis nach Malaysia Malaien – und zwar wegen ihrer Versessenheit auf den Rhythmus der Halbinsel, auf die Schläge des Tamburins und auf den Wechselgesang der Pantun-Verse. Unsere Zusammengehörigkeit speist sich nicht aus einer gemeinsamen Sprache, einer Hautfarbe oder einem gemeinsamen Glauben. Wir sind ein Volk, das keine Rangunterschiede kennt.
    Eine weitere Geschichte, die mich sehr beschäftigte, erfuhr ich kurz darauf in der Moschee. Als dort der Verstärker repariert wurde, sahen wir uns das Wirrwarr aus Kabeln an, die völlig chaotisch durcheinanderhingen. Bei dieser Gelegenheit erzählte uns der Muezzin, der schon über siebzig Jahre alt war, von seinem Urgroßvater.
    Er hatte einer Nomadengruppe angehört, die an den Küsten Belitungs herumgestreift war und sich von Wild ernährte, das die Menschen mit Lanzen erlegten oder in Schlingen fingen. Sie schliefen im Geäst der Bäume am Strand, um sich vor wilden Tieren zu schützen. Wenn der Vollmond schien, entfachten sie ein Feuer und beteten den Mond und die Sterne an. Mir sträubten sich die Haare, wenn ich mir vorstellte, wie nahe unser Volk noch der primitiven Kultur stand.
    »Wir sind schon seit ewigen Zeiten mit den Sawang befreundet. Sie sind erfahrene Seeleute und leben auf ihren Booten. Ihr Volksstamm zieht von Insel zu Insel. In der Bucht von Balok tauschten unsere Vorfahren mit ihnen Zwerghirsche, Rattan, Bananen und Harz gegen Salz, das die Sawang-Frauen gewannen«, erzählte der Muezzin.
    Es ging uns wie dem Fisch im Aquarium, der gar nicht mehr weiß, was wirkliches Wasser ist. Wir lebten schon so lange in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Sawang, dass uns gar nicht mehr bewusst war, dass sie eine anthropologische Besonderheit sind. Doch wie die Chinesen bilden sie ein wesentliches Element unserer gewachsenen Gesellschaft.
    Dabei unterscheiden sie sich in ihrem Erscheinungsbild beträchtlich von uns Malaien und erst recht von den Chinesen. Sie ähneln den Ureinwohnern von Australien, den Aborigines. Wegen ihres kräftigen Körperbaus beschäftigte die Bergbaugesellschaft die Männer als Träger. Sie mussten die Säcke mit Zinn von der Waschanlage zu den Schiffen im Hafen tragen, die das Zinn dann in die Schmelzanlage auf Bangka

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