Die Regenbogentruppe (German Edition)
vogelfrei. Wenn die Spezialeinheit, die auch Zinnpolizei hieß, einen von ihnen zu fassen kriegte, wurde er kurzerhand mit der Kalaschnikow aus nächster Nähe durch Kopfschuss erledigt. Diese Gruselgeschichten blieben auch unseren Ohren nicht fern.
Unter Mahars Führung war die Regenbogentruppe nach Norden aufgebrochen, wir liefen geradewegs auf den Blinden Fluss zu.
Dutzende verlassener Felder und Hütten hatten wir bereits ausgemacht. Wir hatten auch im Mangrovensumpf gesucht, aber ohne jeden Erfolg. Flo blieb verschwunden, als hätte die Erde sie verschluckt. Unsere Stimmen waren bereits heiser vom Schreien.
Mit jeder Hütte, auf die wir stießen, ohne Flo zu finden, schwand die Erfurcht, die wir vor Tuk Bayan Tula hatten. Mittags lag sein Ansehen praktisch bei null. Mahar betrachtete es jedes Mal als Beleidigung, wenn wir uns über eine leere Hütte beklagten, und besonders kränkte ihn Samsons abschätzige Äußerung.
»Wenn der Dukun sich in einen Papagei verwandeln kann, wozu müssen wir dann hier herumsuchen?«
Schließlich gelangten wir an einen vorspringenden Felsen, auf dem wir uns ausruhten, um unsere verbliebenen Kräfte zu sammeln. Hier war der nördliche Hang zu Ende. Danach fiel der Berg fast anderthalb Kilometer senkrecht hinab bis zu der Schlucht, in der die Gefahren des Buta lauerten. Von Flo keine Spur. Am Nordhang jedenfalls hatte Tuk Bayan Tula die Wahrheit seiner Botschaft nicht beweisen können. Mit Hilfe unseres Walkie-Talkies erfuhren wir, dass auch die Suche im Westen, Osten und Süden nichts gebracht hatte. Das hieß, Tuk Bayan Tula hatte in alle vier Windrichtungen gelogen.
Mahar war den Tränen nahe. Er sah aus, als hätte ihn die Liebe seines Lebens betrogen.
Tuks beschädigte Reputation und Mahars Enttäuschung berührten mich nicht sonderlich, aber ich war voll Angst und Schmerz, weil ich an Flo denken musste und das Schicksal, das sie ereilt haben könnte. Es war gut möglich, dass sie überhaupt nicht gefunden wurde. Oder man fand sie in einem schrecklichen Zustand, von wilden Tieren zerrissen und zur Beute der Krähen geworden. Am unerträglichsten war der Gedanke, sie könnte ums Leben kommen, weil unsere Hilfe sie nicht rechtzeitig erreichte. Es war schwierig, ohne einen Bissen Nahrung bei einer Kälte, wie sie letzte Nacht geherrscht hatte, zu überleben. Ich war verzweifelt, weil ich mir eingestehen musste, dass es wohl bereits zu spät war.
Harun klopfte Mahar tröstend auf die Schulter. Mahar versank in Schweigen. Er starrte hinab auf den Buta mit dem schilfbestandenen Sumpfgebiet. Wir erhoben uns und rafften unsere Sachen zusammen, um nach Hause zurückzukehren. Als wir uns gerade in Marsch setzen wollten, richtete Syahdan sein billiges kleines Plastikfernglas, das ihm vom Hals baumelte, auf das Ufer des Buta. Plötzlich schrie er auf.
»Seht doch, am Ufer steht ein Mangobaum.«
Mahar entriss Syahdan das Fernglas. Er lief an den Rand des Felsens: »Dort steht auch eine Hütte!«, rief er triumphierend. »Da müssen wir hin!«
Wir waren alle entsetzt von dem abwegigen Vorschlag. Kucai fand, dass Mahars Verrücktheit zu weit ging. Als Klassensprecher fühlte er sich verantwortlich.
»Spinnst du?«, fuhr er ihn an. »Ich will deinem kranken Hirn mal was erklären, da unten kann unmöglich ein Feld sein. Niemand ist so verrückt, am Ufer des Buta einen Acker anzulegen, außer er sucht dort den Tod!«
Mahar sah Kucai herausfordernd an.
»Nimm dein bisschen Grips zusammen! Los, lasst uns heimgehen.«
Mahar blieb stur. Harun, der Älteste von uns, versuchte Mahar gut zuzureden. »Komm, lass uns heimgehen. Der Berg hat sich schon ein Kind genommen, also los, Mahar, gehen wir heim.«
Mahar rührte sich nicht. Als wir uns zum Gehen wandten, sagte er ganz ruhig: »Ihr könnt alle gehen, ich steige allein dort runter.«
*
So stiegen wir schließlich alle gemeinsam ab. Wir schimpften und verfluchten Syahdan, der aus einer Laune heraus durch sein billiges Plastikfernglas geschaut hatte. Aber jetzt war es zu spät. Um Mahar nicht alleinzulassen und ihn vor weiteren Torheiten zu bewahren, machten wir uns auf zum Ufer des Buta, wo tödliche Gefahren lauerten. Wir verabscheuten seinen Fanatismus, aber er war trotzdem unser Freund, ein Mitglied der Regenbogentruppe. Manchmal verlangt Freundschaft eine Menge von einem. Eine weitere Lektion, die wir lernen mussten, lautete: Freunde dich nie mit jemandem an, den es zum Schamanismus zieht!
Der Ort war so schrecklich wie sein
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