Die Regenbogentruppe (German Edition)
vergangenen Jahren schon manche traurigen Momente erlebt, wir hatten schwere Zeiten überstanden, aber sie hatte noch niemals offen vor uns geweint. Jetzt fielen Tränen auf den Brief. Ich trat zu ihr, und sie gab mir den Brief zu lesen. Er war ganz kurz:
Ibunda Guru ,
mein Vater ist gestorben,
morgen komme ich in die Schule,
um mich zu verabschieden.
Ihr Schüler
Lintang
*
Wenn in einer armen Fischerfamilie der Vater stirbt, muss der älteste Sohn für den Lebensunterhalt seiner ganzen Familie sorgen, das waren im Fall von Lintang vierzehn Personen. Er war nun verantwortlich für seine Mutter, die vielen Geschwister, die Großeltern und arbeitslosen Onkel. Er hatte keine Möglichkeit, seine Ausbildung in der Schule fortzusetzen, weil sein Vater, der schmächtige Mann mit dem freundlichen Gesicht, die zerzauste Kasuarine, gefallen war. Der Leichnam wurde zusammen mit der großen Hoffnung, die der Mann zu Lebzeiten in seinen Sohn gesetzt hatte, auf den Friedhof gebracht und begraben. Mit dem Vater war auch der Wunschtraum des Sohnes gestorben.
Unter dem Filicium wollten wir Abschied nehmen. Ich schwieg. Mein Herz war leer. Das Abschiednehmen hatte noch nicht begonnen, aber Trapani schluchzte bereits. Sahara und Harun saßen Hand in Hand und schluchzten ebenfalls. Samson, Mahar, Kucai und Syahdan liefen mehrmals zur Wasserstelle und wuschen sich das Gesicht, als wollten sie beten, in Wirklichkeit aber wuschen sie sich die Tränen ab. A Kiong trauerte still für sich und wollte nicht gestört werden. Auch Flo, die Lintang gerade erst kennengelernt hatte und nicht leicht aus der Fassung zu bringen war, sah unglücklich aus. Sie hatte still den Kopf gesenkt und starrte zu Boden. Es war das erste Mal, dass ich sie traurig sah.
Wir mussten Abschied nehmen von unserem genialen Naturtalent. Lintang war unser Leuchtturm. Er strahlte eine so starke positive Energie aus, eine Heiterkeit und Lebensfreude, die alle erfasste. In seiner Nähe wurden unsere Gedanken heller, entflammte sich unsere Wissbegierde, standen die Dinge klar vor unseren Augen. Von ihm lernten wir Bescheidenheit, Willensstärke und Freundschaft. Als er damals bei dem Wettstreit entschlossen den Knopf auf dem Mahagonitisch drückte, gab er uns allen Mut, sich dem Schicksal entgegenzustemmen, eigene Vorstellungen zu entwickeln, zu träumen.
Ein genialer junger Mensch, Sohn einer der reichsten Inseln Indonesiens, musste heute aus Armut die Schule verlassen. Heute verhungerte wieder mal eine Maus im übervollen Reisspeicher.
Wir hatten miteinander gelacht, geweint, im Kreis um das Lagerfeuer getanzt. Er war noch gar nicht fort und ich sehnte mich schon nach seinem fröhlichen Blick, nach seinem unbeschwerten Lächeln, nach seinen klugen Worten. Es war einfach ungerecht. Lintang, der mit jeder Faser um seine Ausbildung gekämpft hatte, musste gehen. Als unsere Schule davorstand, abgerissen zu werden, war er standhaft geblieben, hatte uns an unsere Träume erinnert. Der Hass auf die Leute im Gedong, für die das Leben nur ein Fest war, stieg in mir auf. Aber ich hasste auch mich selbst dafür, dass ich Lintang nicht helfen konnte.
Lintang erschien und sein Blick war ganz leer. Es war eine Qual für ihn, alles in ihm sträubte sich dagegen, Abschied zu nehmen. Die Schule, seine Freunde, die Bücher und der Unterricht bedeuteten ihm alles, das war seine Welt, die er liebte.
Wir umarmten ihn. Die Tränen liefen ihm über die Wangen, er hielt uns so fest, als wollte er uns nie mehr loslassen.
Ich schaffte es nicht, ihm ins Gesicht zu blicken. Ich war nicht in der Lage, irgendetwas zu sagen. Wir schluchzten alle. Bu Mus versuchte mit Macht, ihre Tränen zurückzuhalten, denn sie wollte nicht, dass wir allesamt die Fassung verlören. Der Anblick zerriss mir das Herz. Jener Nachmittag war der traurigste Nachmittag auf Belitung, von der Mündung des Lenggang bis nach Pangkalan Punai, von der Brücke des Mirang bis nach Tanjung Pandan. In diesem Augenblick wurde mir klar, dass wir alle Geschwister waren, Geschwister des Lichts und des Feuers. Unter zuckenden Blitzen und im Sturm, der Berge versetzte, hatten wir uns Treue geschworen. Unser Versprechen ist in den sieben Sphären des Himmels verzeichnet, bezeugt von den geheimnisvollen Drachen, den heimlichen Herrschern über das Chinesische Meer. Gemeinsam waren wir der schönste Regenbogen, den Gott je geschaffen hat.
Zwölf Jahre später
44 Eine Dame mittleren Alters, begleitet von Herrn
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