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Die Regentin (German Edition)

Die Regentin (German Edition)

Titel: Die Regentin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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Obendrein musste sie mehrere Stunde knien – und das auf kleinen Steinen, die alsbald so unerträglich in ihr Fleisch stachen, dass sie an nichts anderes denken konnte als daran, wie sie am besten ihr Gewicht verlagern sollte.
    Als sie endlich davon erlöst wurde, ging es ihr kaum besser.Das Fasten fiel ihr leicht; das Schweigen nicht. Es senkte sich wie eine schwere graue Wolke auf sie, und darin feststeckend fragte sie sich erstaunt, wie sie in den letzten Tagen nur dem merkwürdigen Trugbild hatte verfallen sein können, dass da mehr Kraft in ihr war, als sie jemals sinnvoll in Leben und Arbeit stecken könnte.
    Noch während sie von der Äbtissin gemaßregelt wurde – im Übrigen ging durchaus auch Schelte an Godiva, wenngleich deren Stellung im Kloster nicht gleiche Strafe verlangte –, schwand alle Kraft dahin, und schon als Bathildis hernach in der Kapelle hockte, gedachte sie bereits schaudernd und bebend ihres Tuns: Wie hatte sie sich Godiva gegenüber so trotzig gebärden können? Wie solche Strafe heraufbeschwören?
    Zögernd blickte sie sich in der Kapelle um. Sie war aus festem Stein gebaut, die Männer aus dem Norden hatten ihr nichts anhaben können. Der umgerissene Altar war längst wieder aufgestellt und von den Priestern des Klosters neu geweiht worden. Die Gefäße, die Bathildis gerettet hatte, standen sämtlich wieder an ihrem Platz.
    Unbehaglich gedachte sie der Messschale und wie jene auf den dreckigen Boden gekullert war, und im Lichte des neuen Vergehens wog das alte, eigentlich schon vergessene, wieder drückend schwer.
    Gewiss bin ich eine Sünderin, ging es ihr durch den Kopf, hochmütig gegenüber meiner Lehrerin, respektlos gegenüber dem Allerheiligsten, anmaßend, weil ich die Rettung vor den Männern aus dem fremden Land mir zuschreibe, obwohl doch gewiss der Himmlische Vater durch mich gewirkt hat.
    Mit jeder Stunde, die sie in der Stille zu hocken hatte, wurden ihre Gedanken trüber und leerer. Um ihnen zu entgehen, retteten sie sich schließlich erneut zu jener Gestalt, die auch sonst in Stunden von Furcht und Unheil Trost und Rettung verheißen hatte.
    Geliebter Vater, dachte sie und stellte sich vor, dass sie amSchreibpult säße und ihm – auf Papyrus schreibend – von ihrem Leben berichtete. Geliebter Vater! Ich möchte gern das ehrbare Weib sein, zu dem du mich nach meiner Mutter Tod hier erziehen hast lassen, auf dass ich weder dich enttäusche noch Ricberts Sohn Aidan, dem ich versprochen bin ...
    Sie zögerte, versuchte, an einen Mann ihres Alters zu denken, sich seine Statur vorzustellen, gewiss weniger mächtig als die des Vaters, aber ähnlich groß gewachsen. Ob Aidan bereits einen Bart im Gesicht trug?
    Die Vorstellung blieb schattenhaft, und so gab sie sie auf – es war schon schwer genug, den Vater festzuhalten.
    Im Augenblicke gibt es freilich wenig, was in dir Stolz zu nähren vermöchte, fuhr sie im Stillen fort, sich dem Vater mitzuteilen, denn ich habe mich nicht recht verhalten. Ich habe einer Nonne, die einzig vom guten Willen geleitet ist, aus mir ein rechtschaffenes Weib zu machen, nur Widerwort geboten...
    Sie stutzte erneut. Wollte Godiva ihr Gutes? Gewiss nicht! Nichts anderes hatte jene begehrt, als ihr das Verhalten heimzuzahlen, das sie während des Überfalls an den Tag gelegt hatte. Der Überfall...
    Doch was dies schändliche Verhalten aufwiegt, schrieb sie in Gedanken fort, ist vielleicht der Mut, den ich gezeigt hatte. Gott gebe, ich muss solche Bedrohung nicht erneut erleben, doch wenn es Ihm gefällt, mich zu prüfen, so bin ich gewiss, dass ich auch ein zweites Mal die Schwäche und Feigheit, die dem weiblichen Geschlechte innewohnen, bezwingen kann.
    Sie zuckte unsicher mit den Schultern. Sie war sich nicht einmal sicher, ob ihr Vater den Brief lesen könnte, selbst wenn er auf Papyrus festgehalten wäre. Männer Gottes mussten die Schrift beherrschen – Männer des Königs nicht.
    Dennoch hatte das Schreiben in Gedanken, so wirr und unausgegoren es sie selbst deuchte, seinen Nutzen vollbracht: Sie fühlte sich nicht mehr alleine, und das Warten darauf, dass ihreZeit der Buße vorüber wäre, war durch solche Ablenkung leichter durchzustehen.
    Auch am nächsten Tag geschah es oft, dass sie an Thorgil dachte und ihm im Geiste schrieb. Mit jedem Wort klärte sich der Nebel, der um das fremde Antlitz lag, und verstärkte sich das Sehnen nach einem Menschen, der sie nicht scheu oder missbilligend musterte wie all die Nonnen hier, sondern

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