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Die Regentin (German Edition)

Die Regentin (German Edition)

Titel: Die Regentin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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seufzte, und irgendwie klang es nicht ängstlich wie stets, sondern freudig, als wäre sie erleichtert, dass die angespannte Miene der anderen nicht geringere Furcht vor dem Leben verriet, als sie selbst empfand.
    »Nun«, sagte sie, »aus Northumbrien komme ich wie du... und danke den Himmlischen Mächten doch jeden Tag, dass ich keinen Schritt mehr dorthin setzen muss. Es heißt, es ist kalt und windig dort. Gottlob, dass ich dem Herrn Jesus Christus versprochen worden bin und sonst niemandem!«
    Dies nun wollte Bathildis nicht gelten lassen – dass Hereswith ihr etwas voraus habe, ihr womöglich das bessere Schicksal bestimmt sei. »Ach was!«, rief sie heftig und schluckte ihr Unbehagen. »Warum sollte ich mich fürchten – wenn es mir doch gelungen ist, die nächtlichen Angreifer zu überlisten!«
    Sie lachte übertrieben laut, was auch in Zeiten, da ihr keine Buße aufgezwungen war, streng verboten gewesen wäre. Heute freilich war es ein umso härteres Vergehen, und erschrocken hobHereswith wieder die Finger zu den Lippen, um sie zum Schweigen zu bringen.
    Doch zu spät. Der verbotene Laut hallte noch von den Wänden, als die Mutter Äbtissin den Raum betrat.
    Schuldbewusst senkte Bathildis den Kopf und stellte sich auf eine Verlängerung der Strafe ein, indessen Hereswith zu weinen begann.
    Die Äbtissin freilich gebärdete sich, als habe sie den unerlaubten Laut nicht gehört. Fahrig war ihr Blick wie in der Nacht des Überfalls.
    »Hereswith trifft keine Schuld«, versuchte Bathildis die treue Freundin vor Strafe zu bewahren, »ich war’s, die mit ihr zu reden versucht hat. Sie hingegen hat kein Wort gesagt...«
    Die Äbtissin Eadhild hob die Hand, um sie zum Schweigen zu bringen. Hereswith schluchzte so erbärmlich, dass ihr diese Geste entging; Bathildis hingegen streifte der Hauch einer Ahnung.
    »Das spielt jetzt keine Rolle«, erklärte die Äbtissin. »Deine Buße ist hiermit vorbei. Steh auf und komm mit mir, Bathildis... in den Hof... wir haben Gäste.«
    Oft hatte sich Bathildis ausgedacht, wie sie dem Vater gemessenen Schrittes entgegentreten würde, sanft und scheu, so wie es die Männer von Weibern wollten. Aber noch während sie an der Seite der Äbtissin den Gang entlangschritt und jene dem Mädchen von der Ankunft der Männer erzählte, so ahnte sie, dass sie den Blick nicht würde gesenkt halten können.
    Nicht nur ihr Vater sei gekommen, sondern auch sein Freund Ricbert, und mit jenem wiederum dessen Sohn Aidan. Mit ihnen ritten noch weitere Männer, wohl ein halbes Dutzend, Äbtissin Eadhild habe sie nicht zählen können.
    Die Stimme der Äbtissin bebte. Die Mönche hätten den Männern in ihrem Gästesaal Schlafstatt angeboten, doch jene wollten nicht bleiben, sondern noch vor Einbruch der Nacht weiterreiten.
    Bathildis schluckte schwer. Das Pochen ihres Herzens übertönte beinahe das Klappern ihrer Schritte auf dem kalten, aus Lehm gestampften Boden.
    Noch heute.
    Das Kloster verlassen.
    Für immer.
    Als sie in Hereswiths Beisein die Nachricht erhalten hatte, war ihr Gesicht ganz rot geworden ob der Aufregung. Nun erbleichte sie, so groß war der Wunsch, zu der Gefährtin zurückzurennen, sich zitternd an die gleichfalls Zitternde zu klammern und sich mit ihr für immer zu verkriechen. Leichter war es, sich solch feiges Gebaren auszudenken, als inne zu werden, dass sie Hereswith gerade auf ewig Lebewohl gesagt hatte – ohne dass sie beide es gewusst hatten.
    »So schnell«, stammelte sie, »warum so schnell?«
    »Die Nachricht vom Überfall hat sich verbreitet«, erklärte die Äbtissin schnaufend. »Es heißt, dass nicht nur die Küsten von Kent betroffen sind, sondern auch die deiner Heimat. Der dortige König hat deinen Vater geschickt, um mit dem hiesigen ein Vorgehen auszusinnen. Vor seiner Rückkehr hat dein Vater beschlossen, den Aufenthalt zu nutzen, um dich mitzunehmen.«
    Sie hatten den Hof erreicht, noch zerklüftet von den vielen schweren Schritten, die ihn erst vor kurzem heimgesucht hatten. Bathildis gelang es nun doch, den Blick zu senken – nicht, weil sie ihre Neugierde besser beherrschte, sondern weil sie die Worte der Äbtissin überdenken musste – und das, was sie unausgesprochen verhießen. Bislang hatte sie sich die Heimkehr immer so vorgestellt, dass sie in einem Ochsenwagen sitzen würde, in dem auch die Mönche zu reisen pflegten, vielleicht begleitet von ein paar Mägden, die dem Vater dienten und von denen die eine oder andere sie womöglich kannte.

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