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Die Regentin (German Edition)

Die Regentin (German Edition)

Titel: Die Regentin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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Gewiss musste sie nach dem Tod der Mutter eine Amme gehabt haben, und vielleicht lebte diese noch.
    Doch nun sollte sie alleine unter den Männern sein? Für mehrere Tage? Womöglich auf einem Pferd reiten? Ohne Zeit zu haben, sich dafür zu rüsten – ohne Zeit auch, Abschied zu nehmen?
    Sie atmete heftig ein und aus und suchte die Furcht mit beruhigenden Gedanken zu zerstreuen. Genau genommen würde sie nicht allein unter Männern sein – sondern geborgen bei ihrem Vater, welcher aus Furcht um die Tochter herbeigeeilt war.
    Vorsichtig blickte sie auf – und schrie laut.
    Schlimm genug war’s, einen groß gewachsenen Mann zu sehen – doch kaum erträglich der Anblick, wenn ein solcher auch noch auf dem Pferde saß. In den Himmel gewachsene Kreaturen schienen das zu sein, halb Tier, halb Mensch.
    Bathildis lenkte ihren Blick wieder auf den Boden und schämte sich für den entsetzten Schrei, wiewohl sie dem Vater doch würdevoll hatte entgegentreten wollen. Auf dass nichts weiteres Ungebärdiges aus dem Mund käme, begann sie zu sprechen, immerhin ihrer Stimme mächtig und auch fähig, das Tempo der Worte zu drosseln.
    »Ich habe deine Ankunft sehnlichst erwartet, Vater. Mein Herz war froh ob der Nachricht, dass ich nun alt genug sei, das Kloster zu verlassen...«
    Sie wusste nicht, ob irgendjemand sie hörte, desgleichen wie sie nicht erkannte, wer ihr am nächsten stand und ob das überhaupt Thorgil war. Nur zwei der Männer waren von den Pferden gestiegen, die anderen darauf hocken geblieben.
    »Vielleicht hast du schon davon gehört – von jenem nächtlichen Überfall der Männer, die aus dem Norden kamen. O, schreckliche Furcht habe ich in dieser Nacht ausstehen müssen...«
    Ihre Stimme wurde immer dünner und riss dann wie ein Faden ab. Vorsichtig blinzelte sie nach oben. Die Männer hatten Bärte und verfilzte Haare – bis auf einen. Jener schien kein Mann zu sein, sondern noch ein Junge.
    Aidan.
    Rasch blickte sie wieder weg. Es war schwer genug gewesen, sich dem fremden Vater zu stellen – mit dem Bräutigam wollte sie sich später befassen.
    »Gottlob habe ich sie rechtzeitig gesehen, und wir sind in den Taubenturm geflohen, welchen Bruder Desiderius einst hat errichten lassen, und...«
    Schwere Schritte erschütterten den Boden. Unwillkürlich sprang sie zurück und verkreuzte die Hände über der Brust.
    »Ich bin so erleichtert«, stammelte sie, »dass du, mein Vater, gekommen bist, mich zu beschützen.«
    Ihre Stimme klang wie ein Schluchzen. Erneut blickte sie zaghaft hoch und sah in ein Gesicht, das vermutlich nicht minder furchterregend war als das der Angreifer aus dem Norden. Falten gruben sich wie Täler in eine gegerbte Haut, die nicht weiß und rosig war, sondern mit braunen Flecken übersät. Der graubraune Bart war zurechtgestutzt, aber es hingen manche Spuren der Reise darin: getrocknete Schlammspritzer, kleines Geäst, Reste von Essen. Am bedrohlichsten waren die Augen, zwei farblose Löcher, die sie ausdruckslos anstarrten. Das Lid des einen hing schwer über den Augapfel, als sei es von Müdigkeit und Schwäche übermannt – der Leib deuchte sie nur unsäglich schwer und wuchtig, nicht kraftstrotzend und gelenkig.
    Thorgil öffnete den Mund. Eine Welle fauligen Geruchs schwappte über sie.
    Er atmete rasselnd, als bekäme er zu wenig Luft.
    »Ich bin deine Tochter Bathildis, mein Vater...«, setzte sie an.
    »Halt dein Maul!«, entgegnete er schnaufend, wiewohl der Blick stumpf blieb. »Ich habe lange genug das Gezänk zwischen meiner Mutter und meiner Gattin ertragen müssen. Nicht viel weiß ich von den Weibern, jedoch eines ganz genau: Sie sollen nicht geschwätzig sein.«

IV. Kapitel
    Sie waren zwei Tage unterwegs, als Bathildis erstmals einen vorsichtigen Seitenblick auf Aidan warf. Keinen der Männer hatte sie sich bislang richtig anzusehen gewagt, vor allem nicht ihren Vater. Seit der rüden Begrüßung schwieg er und war offenbar zufrieden, dass sie, zutiefst verstört, ihm darin folgte.
    Sie wusste nicht, was schwerer wog – die Enttäuschung, dass er in der Tochter nicht viel anderes sah als einen Sack Getreide, den man vom einen Ort zum anderen bringen musste, oder die Furcht, dass alle Männer so waren, nicht nur schweigsam und dem Lächeln eines Mädchens abgeneigt, sondern obendrein so riesig, so kräftig und an vielen Körperteilen behaart. In den letzten Jahren hatte Bathildis nur die Mönche aus dem Nachbarkloster gesehen, doch jene nährten sich wie sie vom

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