Die reinen Herzens sind
kreuzweise.«
Frustriert und todmüde kroch Decker unter die Bettdecke. Es war Freitagmorgen kurz nach Mitternacht, noch gut zwanzig Stunden bis zum Sabbat. Ihm war klar, warum Gott einen Ruhetag geschaffen hatte. Er lag auf dem Rücken, den Blick zur Decke gerichtet und starrte auf eine Spinnwebe, die im Mondschein glitzerte. Eine warme Hand berührte seinen Arm.
»Ist sie wach?« fragte Rina schlaftrunken.
»Wer? Hannah?«
»Ist sie wach?«
»Nein, Honey. Alle schlafen. Hab ich dich geweckt?«
Rina drehte sich zu ihm um. »Du hast mich nicht geweckt. Das war mein Busen. Die Milch ist eingeschossen.«
»Willst du mich stillen? Damit der Druck weggeht?«
Rina lächelte. Decker sah es trotz der Dunkelheit. »Wenn du die Milch in eine Flasche abpumpst, füttere ich Hannah gern. Dann kannst du weiterschlafen.«
Rina zögerte. »Ich denke, der Schlaf tut mir gut. Gib mir die Flasche und die Brustpumpe.«
Rina beobachtete ihn, während er die Utensilien holte, die sie brauchte. »Dich beschäftigt doch was, Pete. Rede mit mir!«
Decker schwieg.
»Bitte.«
Decker lächelte flüchtig. »Morrison hat beschlossen, den Fall dem FBI zu übergeben. Bei einer Entführung kann er das. Offiziell kann ich weiter an dem Fall arbeiten, aber ich hab keine Lust. Wir treten uns nur gegenseitig auf die Füße. Sollen sie machen, was sie wollen. Ich geb den Fall ab.«
»Erleichtert klingst du nicht gerade.«
»Was kann ich schon tun?« Er zuckte mit den Schultern.
»Tut mir leid, Peter.«
»Ach, was soll’s! Ist nur ein Job.« Decker grinste. »Das Wesentliche ist die Familie.«
Rina erwiderte das Lächeln. »Ich freue mich schon so auf die Schalom Nikewah, die Geburtsfeier für Hannah am Sonntag. Wir machen einen Brunch. Alle sind schon richtig aufgeregt.«
»Brunch? Du hast das Fest nicht abgesagt?«
»Nein. Warum sollte ich? Der Lieferdienst sorgt doch für alles.«
»Rina!«
»Peter, das ist mein letztes Baby! Für immer! Die ganze Zeit war ich traurig. Jetzt will ich feiern ! Und nichts kann mich davon abhalten.«
»Dazu fällt mir nichts mehr ein.« Decker fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. »Du bist verrückt, daß du dir das antust.«
»Natürlich bin ich verrückt. Ich bin unvernünftig. Aber das ist mir egal.«
Decker lachte. »Tut gut, dich glücklich zu sehen.«
Rina stellte das Fläschchen mit der abgepumpten Muttermilch auf den Nachttisch. »Glücklich? Ist nicht mal übertrieben.« Sie lächelte. »Was würde dich glücklich machen?«
Decker überlegte. »Noch eine Woche Zeit für meinen Fall.«
»Dann rede mit Morrison, Peter. Vielleicht gibt er dir noch ein paar Tage.«
»Würde ich ja machen, aber ich habe nichts Konkretes in der Hand. Gerade suchen wir einen Collegeprofessor, und nicht mal den können wir auftreiben. Ich kann doch nicht sämtliche Telefonbücher der Staaten wälzen! Es ist so verdammt frustrierend!« Decker atmete hörbar aus. »Ach, kümmere dich nicht um mich. Nächste Woche habe ich noch ein paar Tage frei, bevor ich beim Morddezernat in Devonshire anfange. Und die vergeude ich nicht mit düsteren Gedanken.«
Beide hörten ein leises Quäken aus dem Wohnzimmer. Decker sprang aus dem Bett. »Ich füttere sie.« Er schnappte sich die Flasche.
»Bring sie doch rein«, sagte Rina. »Wir können reden, während du sie fütterst.«
»Hm, nette Idee.« Decker gab seiner Frau einen Kuß. »Du kannst mir von dem Brunch erzählen, mir sagen, wie viele Rabbis uns zu Tode langweilen werden.«
Rina lachte. »Nur Rabbi Schulman, und vielleicht ein paar andere.«
»Wußte ich’s doch!«
»Alles Freunde der Familie. Wie sollte ich ihnen verbieten, ein paar Worte zu sagen?«
»Ich hab’s gewußt! Ich hab’s gewußt!« Damit ging Decker aus dem Zimmer und kam mit Hannah im Arm zurück. Er setzte sich aufs Bett und sah zu, wie sie die Flasche leerte. Der Fall wäre für ihn in diesem Moment das Unwichtigste der Welt gewesen, hätte es da nicht noch ein anderes Baby gegeben.
Und doch war es kein Verbrechen, mit dem zufrieden zu sein, was man hatte.
»Muß ich wirklich diese erleuchtenden Weisheiten der Rabbis über mich ergehen lassen?«
Rina dachte nach. »Du darfst während der Reden einschlafen, Peter. Das ist akzeptabel. Aber du darfst nicht schnarchen. Das wäre ein Sakrileg.«
Decker tastete schlaftrunken nach dem Telefonhörer.
»Hier ist der Weckdienst!« sagte Marge am anderen Ende.
Decker sah auf die Uhr. »Weißt du, wie spät es ist?«
»Viertel vor
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