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Die reinen Herzens sind

Die reinen Herzens sind

Titel: Die reinen Herzens sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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geprüfter sogar. Ich sollte mich vielleicht vorstellen. Lawrence McKay. Nennen Sie mich Leek.«
    »Okay, Leek.«
    »Schon mal mit Lita Bellson gesprochen? Sie ist eine Type. Wir nennen sie Harriet Houdini.«
    »Verschwindet oft, um heimlich zu telefonieren, was?«
    Leek blieb stehen. »Sie haben Ihre Hausaufgaben gemacht.« Er ging weiter. »Lita ist eine erstaunliche Frau. Möchte wetten, daß das Heim bei ihr den kürzeren zieht. Sie bleibt uns noch lange erhalten, auch wenn sie achtzig und eigentlich schwer krank ist.«
    »Sie ist achtzig?«
    »Ja, und ich wette, sie hält noch mal zehn Jahre durch. Sie ist viel zu gemein, um zu sterben.«
    »Wa … ist Marie ihr einziges Kind?«
    »Das weiß ich nicht, aber ich glaube schon. Jedenfalls kriegt sie nur von Marie Besuch.«
    »Ist Marie eine fürsorgliche Tochter?«
    McKay zuckte die Schultern. »Sie kommt zu Besuch. Das ist schon mal was.«
    Er wandte sich scharf nach rechts und betrat ein Zimmer, das eine Mischung aus Wohnraum und Krankenhauszimmer war. Überall standen medizinische Apparate und Medikamentenvorräte. Das Fenster war groß, die Jalousien waren heruntergelassen. Von den beiden Betten war nur eines besetzt.
    »Lita ist nicht in ihrem Bett«, erklärte McKay nach einem kurzen Blick. »Sie muß in einem der Speisezimmer sein.«
    »Sie haben noch mehr Speisezimmer?«
    »Ja. Der allgemeine Speisesaal ist nur für Leute, die beim Essen keine Hilfe benötigen. Wir haben noch kleinere Räume, die beaufsichtigt werden.« Der Pfleger sah auf die Uhr. »Fürs Abendessen ist es noch zu früh. Vielleicht hatte sie Lust auf was Süßes. Ist die Zeit für Eiscreme und Pudding.«
    McKay führte sie in eine Glasveranda mit Tischen und Stühlen. Der Fußboden war mit weißem Linoleum ausgelegt, das Licht wurde durch blaue Jalousien vor den großen Glasfenstern gedämpft. Die Klimaanlage funktionierte eher wie ein Ventilator, der die warme Luft nur verwirbelte. An der weißgetünchten Rückwand hingen farbenfrohe Kinderzeichnungen.
    »Gefällt Ihnen unsere Kunstausstellung?« fragte Leek.
    »Sehr.«
    »Das sind Arbeiten von den Enkelkindern. Wenn sie herkommen, langweilen sie sich meistens. Wir geben ihnen dann Stifte und Papier. Damit sind sie beschäftigt.«
    McKay steuerte auf eine Gruppe alter Frauen in Rollstühlen zu. »Sie wollen Lita kennenlernen? Die lauteste in der Gruppe dort drüben, das ist sie.«
    Marge drehte sich um. Die Frau im Rollstuhl hatte so pinkfarbenes, feines Haar, daß es fast wie Zuckerwatte aussah. Sie trug eine große Brille im zerknitterten, faltigen Gesicht, und in ihren langen Ohrläppchen hingen schwere Ohrgehänge. Ihr ausgezehrter Körper wurde von einem weiten, farbenfrohen mexikanischen Umhang verhüllt.
    McKay trat zu ihr und sagte laut: »Lita, Sie haben Besuch!«
    Lita sah unwirsch auf. »Ich bin mit meinem Eis noch nicht fertig!« Sie starrte durch den Raum. Der Blick hinter den großen Brillengläsern erfaßte schließlich Marge. »Sind Sie von der Polizei?«
    Marge nickte.
    »Was dagegen, wenn ich erst mein Eis esse?« schrie sie.
    »Nein!« brüllte Marge zurück.
    »Lita, stellen Sie Ihr Hörgerät doch lauter, ja!« forderte McKay sie auf.
    »Dann muß ich mir bloß Maudes dummes Geschwätz anhören.«
    »Aber die Unterhaltung wird leichter.«
    »Ach, Scheiße!« Lita drehte an einem kleinen Gerät. Dann sagte sie leiser: »Mein Gott, hält diese Frau denn niemals ihre Klappe? Wir haben alle unsere Wehwehchen. Wir wären kaum in diesem Loch gelandet, wenn wir gesund und munter wären. Beklage ich mich vielleicht?«
    »Nie«, bestätigte McKay. »Auf dem Ohr bin ich nämlich taub …«
    »Schnauze! Los, schieben Sie mich zu der Lady rüber. Ich esse mein Eis bei ihr zu Ende. Bringen Sie mir noch ’ne Portion, Leek? Heute waren Sie verdammt geizig mit dem Zeug.«
    »Lita!«
    »Kommen Sie, Leek. Tun Sie einer alten Frau einen Gefallen.«
    »Okay, das eine Mal …«
    »Braver Junge. Zucker für mein Baby, was?«
    Der Pfleger küßte die alte Frau andeutungsweise auf ihr zuckerwattiges Haar und schob sie zu einem Ecktisch. Dann machte er Marge ein Zeichen, herüberzukommen.
    »Ich lasse die Damen jetzt allein.«
    Lita nahm ihre Brille ab und sah Marge an. Ihre Augen waren von Katarakten von Hautfalten umgeben. Das Faszinierendste an ihnen war die Farbe: ein dunkles Grün mit braunen Einsprenkelungen wie Schokoladenstreusel. »Möchten Sie ein Eis, Herzchen?«
    »Danke, ich passe«, antwortete Marge.
    »Ist verdammt gut.

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