Die reinen Herzens sind
nicht. Als Cindy seufzte, sagte er: »Cindy, ich weiß, du bist ein selbständiger Mensch. Aber ich sehe schon, daß du meine Art, mit den Dingen umzugehen, geerbt hast. Es ist schon schlimm genug, wenn ich mich mit Haut und Haaren von meinen Ermittlungen auffressen lasse. Da muß nicht auch noch ein Familienmitglied in meine Fußstapfen treten. Besonders nicht, wenn du nicht mal dafür bezahlt wirst.«
»Dann tust du’s nur fürs Geld, Daddy?«
»Bringt das Brot auf den Tisch.«
»Du machst es, weil du’s gern tust. Sei ehrlich. Wenn’s dir nur ums Geld ginge, wärst du jetzt der Seniorpartner in Großvaters Kanzlei.«
»Ja, ich liebe meine Arbeit. Richtig. Aber ich bin dafür ausgebildet, und du nicht. Cindy, jemand hat eine Tote und Maries Honda mit Benzin Übergossen und in eine dreihundert Meter tiefe Schlucht gestürzt.« Decker riß plötzlich der Geduldsfaden. »Wir haben es mit verzweifelten Leuten zu tun. Also hör auf, mit mir zu diskutieren. Ich will nicht, daß du weiter in die Sache hineingezogen wirst. Basta.«
»Sag mir wenigstens, ob Tandy eine Krankenschwester ist«, beharrte Cindy. »Das ist meine letzte Frage.«
Decker biß sich auf die Unterlippe. »Ja, Tandy könnte Krankenschwester sein.«
»Und was hält Marge von Tandy?« wollte Cindy wissen.
»Du hast versprochen, mit der Fragerei aufzuhören. Also vergiß die ganze Sache. Überlaß das der Polizei.« Er gab ihr einen Kuß auf die Wange. »Ich verabschiede mich jetzt von Rina. Und keine Diskussionen mehr! Du gehst nicht auf die Polizeiakademie, okay?«
»Ich hatte nicht vor, das College zu verlassen, Daddy.«
»Wie schön, daß wenigstens einer von uns einen klaren Kopf behält. Bye!«
»Bye.« Cindy lehnte sich im Stuhl zurück und wartete, daß ihr Vater das Haus verließ. Sie hatte den Blick in seinen Augen gesehen. Er war besorgt. Und sie wußte, weshalb. Ihre Fragen hatten einen wunden Punkt getroffen. Tandy hatte etwas mit der Sache zu tun. Und wenn sie schon keine Informationen von ihrem Vater bekam, würde sie sich diese selbst beschaffen.
Das Sicherheitsnetz des Krankenhauses funktionierte noch reibungslos, aber die Atmosphäre hatte sich sichtlich entspannt. In wenigen Monaten, so prophezeite Decker, würde der alte Schlendrian im Sun-Valley-Pres wieder Eingang gefunden haben. Die Büros der Verwaltung öffneten erst um neun Uhr. Damit blieb Decker eine Dreiviertelstunde Zeit, um Darlene Jamison zum Dienstplan für die Nacht der Entführung von Caitlin Rodriguez zu befragen.
Nachdem er alle Sicherheitsposten passiert hatte, konnte er endlich die Säuglingsstation J durch die breite Glastür betreten. Eine blonde Schwester drehte sich um. Sie war jung, schlank, hatte ein rundes Gesicht und große, blaue Augen. Allein Erschöpfung und Anspannung entstellten ihre Züge. Auf ihrem Namensschild stand »C. Simms«. Decker zückte seine Dienstmarke.
»Kann ich Sie einen Moment sprechen, Christine?«
Christine lächelte müde. »Setzen Sie sich. Ich muß zu den Neugeborenen. Das kann nicht warten, Sergeant. Aber ich komme so schnell wie möglich zurück.«
»Hat Darlene Jamison heute morgen Dienst?«
Christine verzog schmerzlich das Gesicht. »Darlene ist vorläufig vom Dienst suspendiert. Es war wohl unvermeidlich. Trotzdem tut sie mir leid.« Sie sah zu Boden. »Susan Altman ist jetzt hinten bei den Babys. Falls Sie was brauchen, rufen Sie sie über ihren Pieper an. Aber bleiben Sie bitte vor der gelben Linie.«
»Ist Darlene zu Hause?« rief Decker ihr nach.
»Vermutlich«, antwortete Christine.
»Haben Sie zufällig ihre Telefonnummer?«
Die Tür fiel hinter Christine zu. Sie antwortete nicht. Decker öffnete seinen Aktenkoffer und nahm seine Protokolle heraus. Er fand Darlenes Telefonnummer und wählte am nächsten öffentlichen Apparat. Nach zweimaligem Rufzeichen schaltete sich Darlenes Anrufbeantworter ein. Decker hinterließ langsam und bedächtig seine Nachricht, um Darlene Zeit zu geben, sich jederzeit einzuschalten.
Sie tat es nicht. Entweder war sie nicht zu Hause, oder sie mied jeden Kontakt mit ihm.
Decker steckte die Hände in die Taschen. Sein Blick fiel auf die Tür zum Stationszimmer. Zu seiner Überraschung war sie offen. Er ging hinein. Die gläserne Kabine enthielt drei identische, typische Behördenschreibtische. Sie waren klobig und häßlich. An zwei Tischen waren Namensschilder angebracht, Marie Bellson, staatl. gepr. Krankenschwester und Darlene Jamison, staatl. gepr.
Weitere Kostenlose Bücher