Die Reise-Bibel
technische Highlights der eigenen Flotte, ein paar Städteporträts und eine Kunstausstellung, deren Besuch mit »Miles &
More«-Bonusmeilen honoriert wird. Eine einzige Verkaufsveranstaltung.
»Waren Sie schon mal im Disneyland?«
Dr. Megrette reagiert nicht gleich. Spricht diese Person etwa mit ihm?
Offenbar. Helga Glowaczki ist keine Frau, die sich leicht abwimmeln lässt. Als der Doktor nicht reagiert, schiebt sie das
auf die schlechten akustischen Voraussetzungen.
»Heiner, wir tauschen Plätze!«
Ihr Mann springt bereitwillig auf, überraschend behände.
»Da können wir uns besser unterhalten«, nickt sie dem Doktor zu, der sich immer noch verkrampft am Bordmagazin festhält, mit
starrem Blick nach vorn.
Plötzlich erhält er einen Stoß mit dem Ellbogen. Der Sohnemann.
»Die meint Sie!« Er deutet mit dem Kopf auf seine Mutter.
»He, Kevin Miami, lass bitte den Mann in Ruhe!«
Helga ist stets bemüht, ihren Kindern Manieren beizubringen. Bevor ihr Sohn reagieren kann, springt nun aber das Mädchen auf
dem Fensterplatz auf und zeigt mit der Hand an, dass es eilt. Sie muss raus. Und zwar dringend. Kevin Miami macht Geräusche
wie ein gurgelnder Rasenmäher und steckt sich dabei grinsend den Finger in den Hals. Als seine Schwester sich aus der Sitzreihe
gedrängt hat, ruft er ihr laut hinterher:
»Fröhliches Kkotzen!«
Das lässt auch die Mutter der Sippschaft nicht kalt.
Mit der flachen Hand haut Helga ihrem Sohn einmal kurz auf den Hinterkopf, während sie gleichzeitig ihrer Tochter nachschreit:
|98| »Natascha Brioche, wo gehst du denn hin?«
Helgas Ruf bleibt unbeantwortet. Natascha Brioche fällt beinahe in die zum Glück unbesetzte Bordtoilette, was Kevin Miami
zu nochmaligen Brechgeräuschen und Helga wiederum dazu veranlasst, ihm noch einen kleinen Schwinger zu verpassen.
Das ist alles ein bisschen mehr RTL 2, als Dr. Megrette gewohnt ist. Kinder, die Kevin Miami und Natascha Brioche heißen, der Vater offenbar ein kläglicher Säufer, die Mutter
eine Wiedergängerin von Else Stratmann – und das alles auf Tuchfühlung in einem Flieger, der in sechs Stunden landet. In SECHS
Stunden. Starr vor Unbehagen kratzt Dr. Megrette am Kreppüberzug des Sitzes vor ihm.
»Stewardess!«, ruft er, »Stewardess!« Er klingt gar nicht gut, und Melanie Boden hört routiniert bereits an seiner Stimme,
dass sie sich besser mal in Bewegung setzt, bevor der Typ auf 69 b noch kollabiert.
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|99| Kulturreisen (Teil 2)
Der perfekte Ort zum Leben?
… und ein paar andere Reisefragen mehr, die Ihnen durch die Lektüre der folgenden Bücher beantwortet werden.
Die Reisen des Mr. Leary von Anne Tyler
Schon die Ausgangsidee hat was: Der Amerikaner Macon Lear findet sich in der Welt nur schwer zurecht, darüber hinaus hasst
er Reisen. Also schreibt er Reiseführer, die deshalb so erfolgreich sind, weil er die Sorgen und Nöte des durchschnittlich
hilflosen Touristen so gut nachvollziehen kann. Ein wunderbares Buch über den Versuch eines eingeschüchterten Mannes, das
eigene Leben in den Griff zu bekommen.
Die Kunst des Reisens von Alain de Botton
In Zürich geboren, aber in der Welt zu Hause. Der Schweizer Philosoph Alain de Botton hat schlaue Essays und Romansimulationen
über die Liebe geschrieben, doch auch in Reisedingen kennt sich der in London lebende Mann aus: Seine Betrachtungen über die
Kunst des Reisens funktionieren als Ode an das Fernweh genauso wie als literarisches Brevier. Ein smarter Reisebegleiter mit
hohem Distinktionsfaktor.
Meine Freundin, der Guru und ich von William Sutcliffe
Wenn man ein englisches Mittelklasse-Bübchen ist, das schon einen Ausflug nach Liverpool für eine gefährliche Mission hält,
dann sollte man sich zweimal überlegen, ob man wirklich mit dem Rucksack drei Monate durch Indien |100| trekken möchte. Auch wenn die Freundin des besten Freundes, auf die man selbst scharf ist, einen auf der Reise begleitet … Eines des amüsantesten Bücher über die Absurdität ziel- und planlosen Globetrottens.
Die unglaubliche Reise des Smithy Ide von Ron McLarty
Das ist das beste Buch, das Sie in diesem Jahr lesen können, und dass Sie das können, verdanken Sie ausgerechnet Stephen King.
Drei Fragezeichen? Gut. Zur Erklärung: Stephen King lag vor Jahren nach einem Unfall bewegungslos in seinem Krankenbett und
ließ sich durch Hörbücher unterhalten. So fiel ihm ›Die unglaubliche Reise …‹ auf und er war
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