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Die Reise-Bibel

Titel: Die Reise-Bibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Braun
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    |92| Reise-Szenen (Teil 3)
Dr.   Constantin Megrette fliegt Holzklasse (zum ersten Mal)
    Lässig reicht ihr der Herr seinen grünen Lodenmantel.
    »Können Sie mir den bitte knitterfrei weghängen!«, sagt er beiläufig und schaut an Stewardess Ingrid Stüben vorbei, als sei
     ihm die Übergabe seiner Garderobe bereits lästig. Auf einen Gruß verzichtet Dr.   Constantin Megrette. Und seine ersten Worte an die Hilfskraft der deutschen Lufthansa an diesem Abend sind auch nicht als
     Frage formuliert. Ingrid Stüben fliegt schon ein paar Jahre Langstrecke, und sie kennt ihre Pappenheimer. Business oder sogar
     First Class, denkt sie, und sie fragt sich, womit wohl dieses graumelierte Alphamännchen seine Brötchen verdient. Hedge Fonds?
     IT? Automobilbranche? Für gewöhnlich weiß sie das nach spätestens einer Stunde. Die Herren erzählen es sehr gerne. Sie ist
     bereits gelangweilt von Dr.   Megrette, als der noch nicht einmal
knitterfrei
ausgesprochen hat.
    »Darf ich bitte mal Ihre Bordkarte sehen?« Routiniert knipst sie ihr Lächeln an. Sie weiß ja, dass solche Gäste Probleme machen
     können, wenn sie sich nicht standesgemäß behandelt fühlen. Dr.   Megrette reicht sie ihr wortlos. Nach einem Blick darauf kann Ingrid Stüben ein überraschtes Grinsen nicht unterdrücken. Sie
     schiebt dem Fluggast Megrette seinen Lodenmantel zurück auf den Arm.
    »69 b, das ist im hinteren Teil der Maschine – fragen Sie doch bitte meine Kollegin in diesem Abschnitt der Maschine, ob sie
     eine Möglichkeit hat, Ihren Mantel zu verstauen!«
    Kurz, knackig, kein Wort zu viel. Wahnsinn. Ingrid Stüben bläst innerlich Posaune. Das Flanellmännchen vor ihr |93| hat keinen Platz mehr in der Business Class bekommen! Und First Class darf er sicher nicht mehr buchen –
in diesen Zeiten.
Dr.   Megrette sucht erstmals Augenkontakt, er hebt die Augenbrauen, schweigt aber. Man erkennt auch so, wie absurd es ihm erscheint,
     dass seine Wünsche nicht pronto erfüllt werden.
    »Hören Sie, Frau   …« Er beugt sich vor, um ihr Namensschild besser lesen zu können, seine randlose Brille fällt nach vorn.
    »Frau   … äh   …
Stüben
. Unglücklicherweise habe ich diesen Flug kurzfristig einschieben müssen, eine dringende geschäftliche Sache an der Westküste   … ja   … ähem   … jedenfalls konnte mir mein Sekretariat keinen Platz in der Business Class mehr sichern   … angeblich ausgebucht?« Er legt eine Hand auf ihren Unterarm. Managerschule für Anfänger, maximal Abteilungsleiterebene,
     registriert Ingrid Stüben belustigt.
    »Das ist richtig!«
    »Können Sie vielleicht einmal kurz schauen, vielleicht gab es ja ein
no show
, ich würde meinen Flug in diesem Fall gern mit meinem Vielfliegerprogramm
upgraden

    Stewardess Stüben hält seinem Blick stand.
    »Oh, das tut mir leid. Momentan ist das leider nicht möglich. Ich will das gerne noch einmal prüfen. Allerdings ist dieser
     Flug sehr gut besetzt, ich glaube nicht, dass wir da eine Chance haben. Wenn Sie jetzt bitte vorerst auf Ihren Platz gehen
     würden, wir sagen Ihnen Bescheid, wenn wir das
Boarden gefinisht
haben.«
    Nichts wird sie tun, denkt Ingrid Stüben, aber mal gar nichts. Soll sich doch die Kollegin im Plebssektor mit dem Doktor herumschlagen.
     Sie muss selbst lachen über ihre affektierte Ausdrucksweise, von wegen »Boarden finishen«. Aber schließlich hat das Flanellmännchen
     ja mit dem Quatsch angefangen.
No show
. Was für ein Trottel.
    |94| Dr.   Megrette ist bereits zwei, drei Reihen weit gekommen, da ruft Ingrid Stüben den Mann zurück. Sie registriert seinen hoffnungsvollen
     Blick, dieses
Geht da noch was?
in den Augen – und genießt ihn. Sagt dann, nach einer kurzen Pause, mit der falschen Freundlichkeit einer Eiskunstlaufmutti:
    »In der First Class sind noch einige Plätze frei – Sie könnten natürlich auch dorthin umbuchen, ich würde mich gerne für Sie
     darum bemühen.«
    Sie weiß, dass so einer wie der Doktor die erste Klasse schon aus Prinzip nicht selbst zahlt. Niemals. Und da wackelt er auch
     schon bedauernd mit dem Kopf.
    »Oh, nein, vielen Dank, aber das ist nicht   … äh   … nötig.«
    Verlegen hüstelnd macht sich Dr.   Megrette auf den Weg ins soziale Niemandsland. Ingrid Stüben ballt die Faust. Nur kurz natürlich, nicht, dass einer der Gäste
     diese kleine Geste der Genugtuung registrieren könnte.
     
    *
     
    »Einen Kognak!«, bellt Dr.   Megrette und verzichtet in alter Tradition

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