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Die Reise-Bibel

Titel: Die Reise-Bibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Braun
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erhält er die nächste Lektion in Sachen Völkerverständigung.
    |171| 10.24   Uhr
    Die Neuberts und die Sommers rücken an. Von unten nach oben: Sandalen, Socken, Shorts, nackter Oberkörper bei den Herren,
     Bikini-Oberteile bei den Damen, Sonnenbrillen, Hütchen in den Farben zweimal Gelb, Grau, Blau. Fritz Sommer erstarrt zur Salzsäule,
     als er den Ernst der Lage im Swimmingpool-Bereich erkennt.
    »Herrschaftszeiten, die liegen auf unsere Plätz!«
    Er deutet mit dem Finger auf die Gruppe der sieben Engländer. Niemand aus den Reihen der Monarchisten bewegt auch nur ein
     Augenlid.
    »Die liegen auf unsere Plätz!«, wiederholt Herr Sommer, 52, Controller in einem Backnanger Gebäudereinigungsunternehmen. »Was
     machen die denn do?« Das deutsche Quartett steht ratlos im Eingangsbereich der Anlage. »Des geht aber nicht!«, meldet sich
     auch Frau Sommer zu Wort, Heidemarie, 53, Hausfrau mit hessischem Hintergrund:
    »De Fritz ist extra um viertel sechs uffgestande!«
    Vorsichtig nähert sich die deutsche Gruppe den vorerst entspannt weiter vor sich hin dämmernden Engländern.
    »Höret Sie, ist das möglich, dass Sie auf unsere Plätz liege tun?«
    Fritz Sommer versucht es erst einmal mit deeskalierender Akkuratesse. Er hat sich aber dummerweise ausgerechnet vor Sid aufgestellt,
     und dem Herrn aus Birmingham ist weder nach freundlichem Miteinander, noch verfügt er über nennenswerte Deutschkenntnisse.
    »Come on, Fritz, get lost!«
    Fritz Sommer ist irritiert und auch ein wenig geschmeichelt. Heilandzack, woher kennt der Engländer ihn? Er versucht dieser
     Frage mit investigativem Geschick auf den Grund zu gehen.
    »Kennen wir uns?«
    Er hat keine Ahnung, dass der ›Sun‹-Leser jeden Deutschen |172| Fritz nennt. Er weiß allerdings aus der ›Bild‹, dass der Engländer nicht lange fragt, bevor er handgreiflich wird. Aus diesem
     Grund formuliert er sein Anliegen doch eher defensiv:
    »Ich habe diese Liege   …«, Fritz Sommer zeigt auf das Exemplar, »und noch drei weitere   …«, jetzt deutet er auf die Stühle der anderen Engländer, »heute morgen für uns reserviert, das haben Sie sicher nicht bemerkt!?«
    Sid glotzt den deutschen Urlauber an, als ob er aus einer Zapfsäule trinken würde. Zu gleichen Teilen belustigt, ungläubig
     und verächtlich.
    »What the hell is he talkin’ about?« Sid wendet sich an seine Frau. Die zuckt nur mit den Schultern.
    »They claim for the sunlounger!« Brittany immerhin hat rudimentäre Deutschkenntnisse in der Schule aufgeschnappt.
    »They claim for what?!«, ruft Sid rhetorisch, dreht sich dann zu Fritz Sommer um und pöbelt ihn lachend an: »Hey, Kraut, fight
     for your right to party!«
    Vor Vergnügen haut er sich auf seine nackten Oberschenkel.
    »Kannst du entscheiden vor diese Stuhle!«, greift nochmals Brittany ein und deutet auf die mit Handtüchern belegten, aber
     noch unbesetzten Liegestühle auf der anderen Seite des Pools. Netter Versuch, wenn auch nicht ganz textsicher.
    Doch für Fritz Sommer ist das keine Option, auch wenn er die Logik im Vorschlag der jungen Engländerin erkennt.
    »Das sind doch die Liegen von Familie Obersirchler und von Herr und Frau Rübesamen, die können wir doch nicht einfach   … äh   … in Anspruch.… also nein,
das
geht wirklich nicht.«
    Die teutonische Vierergruppe bleibt, unentschlossen, was nun zu tun ist, vor den englischen Liegestuhl-Besetzern stehen. Selbst
     die Neuberts werden langsam ungeduldig.
    »Das ist ein Skandal!«
    |173| Herr Neubert stammt aus Hannover. Sehr reines Deutsch. Kein Englisch allerdings.
    »Mein Herr, das ist ein Skandal! Wir werden uns an die Hotelleitung wenden müssen. Das wird ein Nachspiel haben!«
    Die Neuberts drehen ab. Die Sommers folgen. Abgang. Die Engländer feixen und singen, als die kleine Gruppe die Pool-Area verlässt:
    »Fritz, go home!«
    Fritz Sommers Halsschlagader pocht. Verzweifelt blickt er auf Sid. Woher kennt ihn dieser Typ, dieser fette Burger auf zwei
     Beinen? Entschuldigend wendet er sich an die Neuberts. Er ist doch kein Kollaborateur. »Ehrlich, ich kenne diese Menschen
     überhaupt nicht. Noch nie gesehen, das könnt ihr mir glauben!«
    11.35   Uhr
    Zwei Hotel-Boys in weißen Baumwollhosen und T-Shirts tauchen am Eingang des Poolbereichs auf. Sie werden von den Ehepaaren Neubert und Sommer begleitet, auch die Familie Obersirchler
     hat sich ihnen zugesellt. Außerdem befindet sich noch ein blond gesträhnter Herr im weißen Leinenanzug in

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