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Die Reise der Jona

Die Reise der Jona

Titel: Die Reise der Jona Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gerrold
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versuchte, sich die Belastungen bildhaft vorzustellen. Er schaffte es nicht. »Äh, ich würde es vorziehen, Harlie zu konsultieren, bevor ich ein Urteil abgebe, Sir. Aber…«
    »Ja?«
    »Ich denke, es ist eine gute Idee herauszufinden, zu was das Schiff in der Lage ist. Nur für den Fall, daß wir einmal in eine entsprechende Situation geraten und die Leistung ausnützen müssen.«
    »Das ist eine Sicherheitsantwort, Mister Korie«, entgegnete Hardesty. »Sehr akademisch.«
    »Es tut mir leid, Sir, wenn Sie nicht…«
    »Ich habe noch nichts gesagt, oder? Seien Sie nicht voreilig. Ich muß Sie wohl nicht daran erinnern, daß ein Teil der Verantwortung eines Kapitäns in der Ausbildung seiner Vertreter liegt. Wie ich bereits gesagt habe, Mister Korie, ich bin nicht der Meinung, daß Kapitän Lowell diese Arbeit gut gemacht hat. Sie denken noch immer in Lehrbuchbegriffen. Und jetzt, bevor Sie wieder Einwände erheben…« Hardesty hob eine Hand und schnitt Korie das Wort ab, »… denken Sie genau nach und prüfen Sie, ob das, was ich gesagt habe, nicht vielleicht genau das Gegenteil ist von dem, was Sie gehört zu haben meinen. Ich sagte, Sie denken noch immer in Lehrbuchbegriffen. Ich sagte nicht, daß die Lehrbücher unrecht haben oder falsch sind. Tatsache ist, daß die Lehrbücher von Leuten geschrieben wurden, die die Richtigkeit dessen, was sie niederschrieben, durch eigene Erfahrung erkannt haben. Eine bessere Ausbildung hätten Sie nicht erhalten können.«
    »Ja, Sir.«
    »Aber…«, fuhr Hardesty fort, »das Beste, was sie aus Lehrbuchsimulationen lernen können, selbst aus den allerbesten, bleibt doch immer eine Simulation. Und Simulationen geben Ihnen simulierte Erfahrungen. Sie bleiben außerhalb Ihrer wirklichen Erfahrung. Was versuche ich Ihnen zu erklären?«
    Korie verstand genau.
    »Es gibt einen Unterschied zwischen einem Offizier, der eine perfekte Simulation beherrscht, und einem Krieger, der Blut gesehen hat.«
    »Korrekt. Vor ein paar Augenblicken gaben Sie mir eine Lehrbuchantwort. Sie war vollständig, sie war richtig, und man wird Sie nicht vor das Kriegsgericht bringen, weil sie den Vorschriften gefolgt sind. Aber Ihre Antwort läßt mich die Dinge vermissen, die den Unterschied zwischen einem Statisten und der Sorte Offizier ausmachen, die das Schiff mit einem Wimpel am Mast zurückbringt. Haben Sie jemals von einer Kommandantin namens Ling Tsu gehört?«
    »Wer hätte das nicht?«
    »Ich kannte sie persönlich.« Hardestys Stimme klang überraschend weich. Korie war beeindruckt. »Ja«, fuhr der Kapitän fort, »es war genau die Art von Erfahrung. Ich war damals noch sehr jung, und sie starb nur wenige Monate später. Sie war eine zerbrechliche, alte Frau, aber wenn man in ihre Augen sah, konnte man noch immer erkennen, zu welcher Sorte Mensch sie gehörte. Offiziell befand sie sich schon lange im Ruhestand, aber sie hatte noch immer einen Beratervertrag. Wissen Sie, die Geschichte ist wahr, die man sich erzählt: Sie weigerte sich, mit irgend jemandem zusammenzuarbeiten, bevor man ihr nicht zugestand, einmal im Jahr mit einem Schiff in den Raum zu gehen. Sie sagte, Entscheidungen, die Schiffe beträfen, müßten auch in Schiffen getroffen werden. Ling Tsu war das Herz der gesamten Flotte.
    Egal. Ich war Offiziersanwärter auf einem nagelneuen Kreuzer! Sie rollten sie für die Erprobungsfahrt auf die Brücke unseres Schiffes, und ich kann Ihnen sagen, unser Kapitän schwitzte Blut und Wasser, genau wie wir alle. Sie sagte kein Wort. Sie sah uns nur zu und lauschte, und irgendwann war sie unsichtbar geworden. Jedenfalls für eine Weile. Der Kapitän war so verängstigt, daß er jede Vorschrift bis ins kleinste Detail befolgte. Das Schiff hätte ebensogut von einem Automaten gesteuert werden können; aber dann, als wir unterwegs waren zum lokalen Horizont, beugte die alte Lady sich vor und stieß den Kapitän in die Rippen: ›Haben Sie eigentlich Blei im Hintern?‹ fragte sie. ›Nun geben Sie endlich mal Gas und lassen Sie uns sehen, was dieses Baby draufhat!‹«
    Hardesty lächelte bei der Erinnerung. »Wir hätten ihr beinahe applaudiert – wenn wir nicht so schockiert gewesen wären. Wir haben alle gedacht, sie wäre eine große Dame, aber wir hatten völlig vergessen, warum sie das war. Wissen Sie, welche Aufgabe sie als Beraterin hatte? Junge Kapitäne daran zu erinnern, nicht immer alles als gegeben zu betrachteten. Testen Sie alles – Ihr Schiff, Ihre Besatzung und ganz

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